
Noch lösen sich Schlamm und Staubwüste ab. Dazwischen erheben sich die Pfeiler der U2-Trassen aus der Wüstenlandschaft. Doch hier wird auf Hochtouren am größten Stadterweiterungsprojekt in Wien gearbeitet: Die Seestadt Aspern entsteht auf 240 Hektar, eine Fläche so groß wie der siebente und achte Wiener Gemeindebezirk zusammen.

Der Lärm hält sich in Grenzen, nur wenn der Wind durch die zukünftige Seestadt bläst, ist der aufgewirbelte Staub unangenehm, berichtet der Bauleiter des U-Bahnabschnitts Seestadt. 8.500 Wohneinheiten für 20.000 Menschen werden in den kommenden Jahren entstehen. Weitere 20.000 Arbeitsplätze sollen dort ihren Standort finden.

Auf der Baustelle des U-Bahn-Bauabschnitts U2/16 Station "Seestadt" kann man sich einen Überblick über das Gelände verschaffen. Denn die Mittelbahnsteigstation überspannt in Hochlage den zentralen See des neuen Stadtteils.

Vier Säulen der U-Bahntrasse stehen im See. An beiden Ufern des Sees wird es Stationsausgänge geben.

Der graphische Überblick zeigt, wie die U-Bahn in einem U-Hakerl durch die Seestadt verläuft und den See überquert.

Bis 2017 wird die Entwicklungsgesellschaft Wien 3420 AG die Grünräume, den zentralen See und die Infrastruktur - dazu gehören etwa Straßen und Kanäle - errichten. Die Bauträger sollen zudem bereits 2200 Wohnungen verwirklichen.

Die zweite Etappe geht bis 2022: Dann sollen der Bahnhof und der Anschluss an die Autobahn A 23 fertiggestellt sein. Auch die Bautätigkeit soll mit der Errichtung von Wohnquartieren, dem Bahnhofs- und Büroviertel zügig vorangetrieben werden. Auf der linken Seite im Bild - jene Fläche, die sich heller abhebt - wird bis 2014 der Schulcampus entstehen, wo vom Kleinkind bis zum Maturanten alle Altersstufen unterrichtet werden.

Die Sprecherin von 3420 AG hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass bei der Planung auf eine gute Durchmischung geachtet wurde: Wohnen, Arbeit, Bildung, Wissenschaft, Kultur und Freizeit sollen Lebendigkeit in die Seestadt bringen. "Wir hätten bereits mehr als 400 Anfragen für Wohnungen, obwohl noch nichts steht. Das ist wohl einmalig in Wien", so die Sprecherin.

Herzstück ist der See mit Park, der sich an diesem heißen Tag im Mai wie eine Oase aus dem Schutt und dem Beton der Baustelle hervorhebt. Er wird noch vor dem Einzug der ersten BewohnerInnen fertig gestellt. Der See wird aus Grundwasser gespeist, deshalb ist er auch nicht für Badefreuden gedacht.

Der 500.000 Kubikmeter Aushub von der Grabung des Sees wird nicht abtransportiert, sondern bildet zur Zeit einen kleinen Hügel auf der Baufläche. Später soll er auf dem gesamten Gelände wieder verteilt werden - für Modellierungen und Straßenbau. Die Umwelt dankt: Dadurch werden 55.000 LKW-Fahrten eingespart.

Bei einer Drehung um 180 Grad wird der östliche Teil des Sees sichtbar. Auf der rechten Seite der Wiese im Hintergrund soll das erste Gebäude entstehen: und zwar das aspern IQ, ein Technologiezentrum der Wirtschaftsagentur Wien. Baubeginn ist noch in diesem Jahr.

Bei einem Rundgang unter den U-Bahnpfeilern fällt auf, dass einige schräg stehen: Hier wird die Hauptstraße der Seestadt verlaufen. Wien bekommt damit eine zweite "Ringstraße", die sich aber anders als in der Innenstadt die FußgängerInnen, RadfahrerInnen und AutolenkerInnen gleichberechtigt teilen werden.

Nach der Endstation "Seestadt" führt die U-Bahnstrecke viergleisig weiter in eine Halle: Die neue Wendeanlage ist 167 Meter lang. Die mittleren zwei Gleise stehen überdacht.

In der betriebslosen Zeit werden die Gleise zum Abstellen genutzt. An die Wende- schließt die Revisionsanlage an. Deren Schienen werden auf Betonpfeilern stehen, um Wartungsarbeiten zu erleichtern. Insgesamt werden hier sechs Langzüge abgestellt und zwei davon revisioniert werden können.

Bei der Planung wird auf Umweltschutz geachtet: Die WC-Anlagen und Reinigungsanschlüsse werden durch Nutzwasser gespeist. Es werden Speicherbecken der Regenwasserzisternen errichtet. Geheizt und gekühlt wird die Station ausschließlich mittels Erdwärmenutzung.

Die Projektleiterin berichtet, dass Interessierte regelmäßig auf die Baustelle eingeladen und Projekte diskutiert werden, wie die Seestadt lebendig und urban gestaltet werden kann. So kann im Juni ein "Abenteuerurlaub in der Seestadt" unternommen werden, im Juli wird sie Teil des Ferienspiels fürs SchülerInnen sein. (Julia Schilly, derStandard.at, 18. Mai 2011)
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