Mit Info- und Umfragekarten stehen die NÖ Bäuerinnen am Freitag und Samstag vor Supermärkten und verteilen Kostproben von Schnitzeln aus heimischer Fleischproduktion.

Foto: NÖ Bäuerinnen

Mit einer Kostprobe von Schnitzeln warben die Niederösterreichischen Bäuerinnen am Freitag und Samstag vor den niederösterreichischen Filialen zweier Supermarktketten für die heimische Schweineproduktion. "Wir wollen wissen, wie die Menschen zu regionalen Produkten und Produktion vor Ort stehen und an die Wachsamkeit der Konsumenten beim Einkauf appellieren", erklärt die niederösterreichische Landesbäuerin Maria Winter.

Anlass für die Aktion, die von der Landeskammer NÖ, dem Forum Land und den Österreichischen Schweinebauern und -bäuerinnen mitgetragen wird, sind die von Gesundheitsminister Alois Stöger angedachten weiteren Verschärfungen der Tierhaltungsvorschriften in der Sauenhaltung - konkret die Abschaffung der in den Abferkelabteilen üblichen Ferkelschutzkörbe. Tierschützer Martin Balluch hatte sich unlängst auf dem Stephansplatz in einem sogenannten "Kastenstand" - ein Käfig, der nur Aufstehen und knappes seitliches Niederlegen ermöglicht - 24 Stunden fixieren lassen, um so dessen Abschaffung zu fordern (siehe Bericht "Tierschützer wollen Schweine aus Käfigen befreien").

"500.000 Ferkel mehr würden erdrückt werden"

Für Maria Winter, die selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Schweinezucht führt, ist die aktuelle Forderung nicht verständlich: "Der Ferkelschutzkorb ist vom Bundestierschutzgesetz her auf vier bis fünf Wochen befristet. Dieses Gesetz ist mit Zustimmung aller Parteien entstanden. Ohne den Korb würden 500.000 Ferkel mehr pro Jahr in der Säugephase von der Muttersau erdrückt werden, was die Existenz kleinerer Betriebe stark gefährden würde", erklärt sie die Einwände der SchweinezüchterInnen.

Neuen, besseren Haltungssystemen, an denen schon seit längerem intensiv geforscht wird, stehe man durchaus offen gegenüber, aber: "Alternativen lassen sich in der Nutztierhaltung nicht von heute auf morgen umsetzen", so Winter. Es müsse verantwortungsvoll zwischen den Bedürfnissen der Tiere, der ökonomischen wie ökologischen Machbarkeit und der Umsetzbarkeit am Markt abgewogen werden, heißt es dazu auch aus den Landwirtschaftskammern. Man müsse rechtlich auf europäischer Ebene ansetzen, betont Winter, nicht im Alleingang in Österreich, denn: "Das würde nur der Selbstversorgung schaden und die Produktion auslagern, dem Tierschutz wäre damit nicht geholfen."

"Wir können uns nicht abschotten"

Das Argument der TierschützerInnen, dass Praktiken wie der Kastenstand in der Schweiz bereits vor zehn Jahren abgeschafft worden seien, lässt Winter so nicht gelten: "Anders als die Schweiz unterliegt Österreich den Gesetzen des freien, europäischen Marktes - wir können uns nicht abschotten." Österreich sei gegenüber den großen europäischen Schweinefleischproduzenten wie Dänemark, Deutschland oder den Niederlanden ohnehin von der Größe der Betriebe her benachteiligt: Hierzulande sind es durchschnittlich 105 Schweine pro Betrieb, dort 1000 und mehr. Die Anzahl der Schweine pro Betrieb sei in Österreich zwar generell gestiegen, so Winter, die Zahl der heimischen Schweinezuchtbetriebe seit den 90er-Jahren aber um 75 Prozent zurückgegangen.

Verunsicherung in der Branche

Österreichs Schweinebäuerinnen und -bauern seien wegen der derzeitigen Diskussionen verunsichert: "In der Branche herrschen Stillstand und Zukunftsangst, alle warten ab, was weiter passiert." Viele, vor allem JungbäuerInnen, hätten gerade hohe Investitionen getätigt, um ihre Betriebe an die EU-weiten Tierschutzregelungen anzupassen, die mit 2013 in Kraft treten sollen. Die Umstellungsprozesse in der Zuchtsauenhaltung sehen EU-weit unter anderem vor, dass Säue künftig nach der Säugezeit in Gruppen gehalten werden müssen, wo sie sich frei bewegen können - das bedeute für viele Landwirtinnen und Landwirte aufwändige Neubauten.

Diese Umstellung auf Gruppenhaltung kostet laut Experten in Österreich derzeit bereits mehr als 200 Millionen Euro. "In einer Zeit, wo Schweinefleisch so billig ist wie nie, wären neue Auflagen für die meisten Bauern deshalb nur sehr schwer umzusetzen", klagt Winter. Die Gefahr bestehe, dass noch mehr kleine und mittlere bäuerliche Betriebe in Österreich die Schweinehaltung aufgeben müssten.

Mündige KonsumentInnen

Die KonsumentInnen könnten mit ihrem Kauf die Produktionsbedingungen stark mitbeeinflussen, so Winter: "Sie haben es in der Hand, welches Produkt sie kaufen. Bioprodukte erfüllen alle Forderungen, auch die der Tierschützer, machen aber in Österreich derzeit nur zwei Prozent aus. Wenn die Konsumenten mehr Bioprodukte kaufen, wird deren Anteil steigen. Die Leute müssen aber  bereit sein, dafür einen fairen Preis zu zahlen." Und ein österreichischer Bauer, der konventionell produziere, sei ja auch strengen Kontrollen unterworfen, ob er den gesetzlichen Anforderungen entspreche.

"Wir wollen mit unserer Aktion niemanden beschuldigen, sondern aufzeigen, dass man, wenn man die Gesetze ändert, auch an die Folgen denken muss", betont die Landesbäuerin, die mit den angedachten Neuerungen nicht nur die Wirtschaftlichkeit kleiner bäuerlicher Betriebe, sondern auch die derzeit 100-prozentige Selbstversorgung Österreichs mit Schweinefleisch gefährdet sieht: „Die Nachbarländer stehen schon in den Startlöchern." (isa/derStandard.at, 20.5.2011)