Foto: derStandard.at

Wien - Das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident John F. Kennedy und seinem sowjetischen Widerpart Nikita Chruschtschow 1961 in Wien hat Österreich möglicherweise ein schlimmes Schicksal erspart - so sieht es zumindest der Mark Kramer, Historiker an der US-Universität Harvard. "Österreich hätte in einem Regime sowjetischen Zuschnitts landen können." Erst die Präsidentschaft Kennedys und sein resolutes Auftreten gegenüber Chruschtschow hätten der Gefahr endgültig ein Ende bereitet, sagte Kramer.

Der Historiker sprach am Donnerstag bei in der Diplomatischen Akademie in Wien im Rahmen einer Konferenz über das Wiener Treffen Chruschtschow-Kennedy über die Rolle der Bündnissysteme NATO und Warschauer Pakt im Kalten Krieg. Diese seien in den 1950er-Jahren noch wenig einsatzfähig gewesen, und von den USA und der Sowjetunion absolut dominiert worden. Die österreichische Neutralität sei sogar der Auslöser für die Gründung des Warschauer Pakts gewesen, so Kramer. "Die Erhaltung der sowjetischen Präsenz in Österreich bot den Anlass für die Stationierung weiterer Sowjettruppen in Ungarn und Rumänien."

Mit Österreichs Staatsvertrag 1955 sei es darum für Moskau nötig geworden, alle Ostblock-Staaten auch militärisch an sich zu binden. Ein kommunistischer Eingriff in Österreich wurde durch die Bündnisbildung ausgeschlossen. Die österreichische Neutralität sei aber von den Sowjetführern erst nach und nach akzeptiert worden. "Starke Führungspersönlichkeiten haben dabei eine Rolle gespielt, etwa Bruno Kreisky", sagte Kramer. Im Gegensatz zur westlichen NATO sei der Warschauer Pakt von dem dominanten Partner, der Sowjetunion, erzwungen worden.

Rasches Ende des Warschauer Paktes

Der Zwangscharakter des Warschauer Paktes erklärt laut Kramer auch dessen "überraschend eilige Auflösung." Die Führung der im Niedergang befindlichen Sowjetunion hätten noch versucht, das Ende des Ost-Paktes zu verhindern. Dies erkläre auch, warum die Staaten Osteuropas in den vergangenen 20 Jahren so nachdrücklich in das westliche Bündnis NATO gedrängt seien. "Die NATO hat auch eine politische Rolle - sie wird als Club der Demokratien gesehen", so Kramer.

Die NATO übernimmt heute vielfältige Aufgaben, bis hin zu Einsätzen in Libyen und Afghanistan. Das große Ungleichgewicht zwischen dem massiven Mittel-Einsatz der USA und den vergleichsweise geringen Aufwendungen der europäischen Partner stellt für Kramer ein strukturelles Problem der Organisation dar. Doch ein baldiges Ende des Nordatlantischen Bündnisses sieht der Harvard-Historiker nicht kommen. "Bis die EU selbstständig an ihre Stelle treten kann, ist die Existenz der NATO eine gute Sache." (red/APA)