Dieser zwölf Millimeter kleine und 190 Millionen Jahre alte Schädel erklärt, warum unsere Köpfe heute so groß sind.

Foto: Mark A. Klingler/Carnegie Museum of Natural History

Schädel und rekonstruiertes Gehirn von Hadrocodium (rechts) im Vergleich zu einem modernen Opossum.

Foto: Computed Tomography (CT) images from the CT laboratory of Jackson School of Geosciences, University of Texas. Images by Dr. Matthew Colbert/University of Texas

Hadrocodium wui war etwas über drei Zentimeter groß und wog kaum zwei Gramm.

Foto: Mark A. Klingler/Carnegie Museum of Natural History

Washington/Wien – Unter allen lebenden Tiergruppen haben Säugetiere das im Vergleich zu ihrem Körper größte Gehirn. Außerdem verfügen nur sie über einen sogenannten Neokortex, den stammesgeschichtlich jüngsten Teil der Großhirnrinde. Zur Frage, wieso ausgerechnet die Säugetiere ein so großes Gehirn entwickelten, gibt es zahlreiche Theorien, die unter Experten heftig diskutiert werden.

Nun warten US-Paläontologen mit zwei erstaunlichen neuen Erklärungen auf, warum das so gekommen sein könnte: Ihrer Meinung nach gab die Verbesserung des Geruchssinns bei den Ursäugern den Anstoß zu einem kräftigen Entwicklungsschub des Gehirns. Außerdem spielte noch ein zweiter Faktor mit, dass sich die grauen Zellen unserer Urur-Ahnen vervielfachten: die verbesserte Fähigkeit, Berührungen mit den Körperhaaren zu spüren.

Das Beweismaterial, auf das sich das sich Timothy Rowe (Uni Texas in Austin) und seine Kollegen Thomas Macrini (St. Mary's Uni in Texas) und Zhe-Xi Luo (Carnegie Museum of Natural History) stützen, ist denkbar klein, aber auch sehr alt: Sie haben die Schädel von zwei primitiven Säugetieren genauestens untersucht, die vor etwa 190 Millionen Jahren auf der Erde lebten.

Konkret handelt es um zwei der frühesten Säugetiervorläufer aus dem frühen Jura in China: um Morganucodon oehleri, einen spitzmausähnlichen Vertreter der Säugtierartigen, und um Hadrocodium wui, einen winzigen Ursäuger, der etwas über drei Zentimeter groß war und zwei Gramm wog. Luo, dem Entdecker des Fossils, fiel der im Verhältnis zum Körper mit zwölf Millimetern riesige Schädel des Tiers auf, der prompt in den Namen einging: Hadro bedeutet Fülle und codium Kopf.

Die Schädel der Tiere waren bereits vor Jahren gefunden worden, doch erst Fortschritte in der Computertomografie erlaubten es, in die Schädel der Tiere hineinzuschauen. Dabei zeigte sich, dass vor allem die Nasenhöhle und die Regionen des Gehirns zur Wahrnehmung von Gerüchen stark vergrößert waren. Dies deute auf einen stark verbesserten Geruchssinn der Ursäuger hin, wie die Paläontologen im Fachblatt Science (Bd. 332, S. 955) schreiben.

Zudem seien die Hirnregionen, die zur Verarbeitung von Berührungsreizen des Fells genutzt wurden, vergrößert. "Ein derart hoch entwickelter Geruchs- und Tastsinn war für das Überleben und Gedeihen der Säuger in der Frühzeit unserer Entwicklung äußerst wichtig", erklärt Luo und ergänzt selbstreflexiv, dass sich nur dank dieser evolutionären Entwicklungen Menschen 190 Millionen Jahre später genau darüber Gedanken machen können. (tasch, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 20.05.2011)