Interview mit Prof. Heinz W. Engl
Rektor der Universität Wien ab 01. Oktober 2011


Vernetzen über Disziplinengrenzen hinweg!

Heinz W. Engl ist seit mehr als 500 Jahren der erste Rektor der Universität Wien, der dort nicht zuvor Professor war. Welcher neue Wind weht ab Herbst an der Universität Wien? Welche Themen haben für den neuen Rektor oberste Priorität?


Mit 01. Oktober treten Sie ihre neue Funktion an und sind als Rektor der Universität Wien für 88.000 Studierende verantwortlich. Welche Herausforderungen bringt das neue Studienjahr?

Die Universität Wien bietet ein vielfältiges Studienprogramm, welches viele indiviudelle Schwerpunktsetzungen ermöglicht. Der Bologna Prozess brachte eine große Veränderung und steht in der Umsetzung irgendwo in der Mitte. Der volle Nutzen der neuen Struktur kann erst durch "vertikale Mobiltät" erreicht werden, wenn also jemand beispielsweise nach einem Bachelorstudium Mathematik einen Master in Bioinformatik macht. Das schafft Qualifikationen für völlig neue Berufsfelder und die Möglichkeiten dazu müssen wir verstärken. Das und die Herstellung von angemessenen Betreuungsverhältnissen hat hohe Priorität für das neue Rektorat. Das Tempo der Umsetzung hängt allerdings wesentlich von den finanziellen Mitteln ab, hier ist die Politik gefordert.
Das Studium an der Universität ist von der engen Verbindung zur Forschung geprägt. Diese wir schon deshalb gefördert, aber natürlich auch, weil Grundlagenforschung auf Spitzenniveau für die Zukunt des Landes von entscheidender Bedeutung ist. Die besondere Stärke der Universität Wien liegt dabei in den enormen Möglichkeiten zur Vernetzung über Disziplinengrenzen hinweg.

Was raten Sie den rund 15.000 Personen, die im Herbst 2011 ein Studium an der Universität Wien beginnen?

Nutzen Sie alle Möglichkeiten, sich zu informieren, kommen Sie an die Universität und besuchen Sie eine Vorlesung. Schnuppern Sie Uniluft und lassen Sie sich von den FachvertreterInnen und den Studierenden einen Einblick in den Studienalltag geben. Die Universität Wien bietet umfassendes Beratungs- und Servicesangebot bis hin zur Schnittstelle Universität und Arbeitsmarkt. Das Karriereservice der Universität Wien, Uniport, veranstaltet nicht nur die Uni-Success, sondern bietet über das ganze Jahr Beratung und Information. Einen umfassenden Überblick über alle Angebote bietet www.uniport.at.

Wenn Sie noch einmal 18 wären, welches Studium würden Sie beginnen und warum?

Wieder Mathematik mit anwendungsorientiertem Schwerpunkt, und ich würde wieder nach den Studium einige Jahre in die USA gehen. Diese internationale Pespektive war für meine wissenschaftlichen Entwicklung entscheidend. Mathematik ist eine Wissenschaft, die von grundlegender Bedeutung für die Weiterentwicklung der Naturwissenschaften und der Technologie ist; und sie ist intellektuell faszinierend. In letzter Zeit beschäftige ich mich mit mathematischen Methoden in der modernen Biologie. Dass ich das jetzt (wohl endgültig) aufgeben muss, ist der einzige Wermutstropfen im Zusammenhang mit der Übernahme meiner hochinteressanten neuen Aufgabe.

Die Bundesregierung hat 2011 zum Jahr der Bildung erklärt. Welche Akzente erwarten Sie von der Politik?

Das österreichische Bildungs- und Forschungssystem ist hinreichend analysiert. Konzepte sind ausgearbeitet, etwa die Forschungsstrategie der Bundesregierung. Nun muss es an die Umsetzung gehen, die auch finanzielle Investitionen erfordert.
Die junge Generation will Bildungsmöglichkeiten nutzen, auch um ihre Berufschancen zu verbessern. Wir brauchen dafür mehr und vor allem ausreichend finanzierte Studienplätze, deshalb setzt sich die Universität Wien so massiv für die Umsetzung der Studienplatzfinanzierung ein. Die Regierungsspitze hat sich im Universitätsgipfel Ende November 2010 zu diesem Ziel bekannt. Gute Konzepte liegen auf dem Tisch der Regierung. Ich hoffe, dass Bundesminister Töchterle, der diese Konzepte ja mitgestaltet hat, in seinen Bemühungen um die Finanzierung dieser Konzepte und auch der Forschungsstrategie der Regierung Erfolg haben wird. Wir werden ihn nach Kräften in diesem Bemühen unterstützen.

 


CV Heinz W. Engl

Heinz W. Engl studierte Technische Mathematik in Linz und promovierte 1979 sub auspiciis. Bereits zwei Jahre später habilitierte er sich. Seit 1988 ist er ordentlicher Universitätsprofessor für Industriemathematik an der Universität Linz. Gastprofessuren führten ihn unter anderem in die USA, Australien, Großbritannien und nach Deutschland.
1996 gründete er das Unternehmen MathConsult, das sich auf die Entwicklung mathematisch-numerisch basierter Software spezialisiert hat. Seit 2003 leitet er das von ihm gegründete Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics (RICAM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, an dem ca. 60 WissenschafterInnen beschäftigt sind. 2007 wurde er mit dem "Pionier-Preis" des "International Council for Industrial and Applied Mathematics" geehrt - der höchsten Auszeichnung im Bereich angewandte Mathematik. Er ist auch Honorary Professor an der renommierten Fudan Universität in Shanghai.
2007 wechselte Heinz W. Engl als Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung an die Universität Wien. Bereits vor seiner Zeit an der Universität Wien sammelte der Mathematiker Erfahrung in der Universitätspolitik, als Dekan (1995 bis 2000 an der Universität Linz) und als stv. Universitätsratsvorsitzender (2003 bis 2007 an der TU Graz).