Bei etwa 25 Prozent der teilnehmenden Schüler sank die Suizidgefährdung im Laufe der Folgeuntersuchungen.

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Weniger psychische Probleme bei den teilnehmenden Schülern sowie ein deutlicher Rückgang von depressiven Symptomen, selbstschädigenden Verhaltensweisen und Selbstmordgedanken besonders bei Mädchen: Die einjährige Studie „Saving and Empowering Young Lives in Europe (SEYLE): Gesundheitsförderung durch Prävention von riskanten und selbstschädigenden Verhaltensweisen", die in Deutschland an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Heidelberg durchgeführt wurde, zeigt vielversprechende Ergebnisse. Ziel ist es, die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen zu überprüfen und effiziente Programme langfristig an bundesweit allen Schulen zu etablieren. Die Studie lief unter der Federführung des Karolinska-Instituts in Stockholm gleichzeitig in neun anderen EU-Staaten und Israel.

„Es gibt ein hohes Maß an gefährdeten Jugendlichen, doch viele von ihnen kommen nicht bei den Therapeuten an", erklärt Studienleiter Romuald Brunner. „Bei psychischen Problemen gibt es eine immer noch ausgeprägte Stigmatisierung." Viele Jugendliche haben Angst, von ihren Mitschülern ausgelacht zu werden. „Wir waren im Vorfeld mehrfach in den Klassen, um Aufklärung zu betreiben", sagt Studienkoordinator Michael Kaess, „etwa darüber, dass die vertrauliche Kommunikation mit den Schülern und ihre Anonymität gewährleistet sind." Rund 70 Prozent entschlossen sich daraufhin zur Teilnahme.

Vier verschiedene Programme

Über 1.400 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren waren an der Studie beteiligt. Sie kamen von 26 Gymnasien, Real- Hauptschulen des Rhein-Neckar-Kreises und Heidelberg. Zunächst beantworteten die Acht- und Neuntklässler bei der Eingangsuntersuchung im Januar 2010 einen Fragebogen, der unter anderem die Themenbereiche Suizidgefährdung, Selbstverletzung, Angst, Depression, Delinquenz, gestörtes Essverhalten, exzessiver Medienkonsum, Schulschwänzen und Mobbing abhandelte.

Je eines von vier Präventionsprogrammen wurde den Schulen per Zufall zugeteilt. Beim sogenannten Professional Screening erhielten über 60 Prozent der Schüler aufgrund ihrer Antworten eine Einladung zu einem Interview. Bei 30 Prozent derer, die zum Termin erschienen waren, stellten die Psychiater einen Behandlungsbedarf fest.

In einem der anderen drei Präventionsprogramme nahmen etwa 100 Lehrer an einem Training teil, dass sie in die Lage versetzte, betroffene Jugendliche zu erkennen und mit ihnen umzugehen („Gatekeeper-Training"). 450 Schüler wurden im Rahmen von fünf Unterrichtsstunden über riskante und selbstschädigende Verhaltensweisen sowie den Umgang damit aufgeklärt („Awareness Training"). An anderen Schulen wurden den Klassenräumen Informationsplakate aufgehängt und den Jugendlichen Visitenkarten mit den Kontaktinformationen der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie ausgehändigt („Minimal Intervention").

Erfolg vor allem bei Mädchen

Bei etwa 25 Prozent der Schüler sank die Suizidgefährdung im Laufe der Folgeuntersuchungen. Besonders bei den Mädchen verringerten sich die psychischen Probleme. „Eine genaue Analyse der unterschiedlichen Gruppen und Wirkfaktoren steht noch aus", betont Brunner. „Diese ersten Ergebnisse stellen ausschließlich Tendenzen bezogen auf die Heidelberger Gesamtstichprobe dar." „Es fehlen noch genaue Analysen im Vergleich mit anderen EU-Staaten, die sicher noch weitere Erkenntnisse bringen werden", ergänzt Kaess. Insgesamt hatten über 12.000 Schüler an der Studie teilgenommen. (red)