Zwei Käfige musste Monika Donner auf ihrem Weg bis jetzt überwinden.

Foto: ZVG/Donner

"Sie ist kein Mann und keine Frau. Sie ist ein Mensch", steht auf ihrer Homepage. (links: Anton Justl, rechts: Monique Dumont)

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Tiger in High Heels
Monyama,
Lotus Press, 2010

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dieStandard.at: Wie wird man in Österreich von einem Mann zu einer Frau?

Monika Donner: Der offizielle Wortlaut ist, dass man sich dem Gegengeburtsgeschlecht deutlich annähern muss. Außerdem braucht man zig Gutachten von Therapeuten, dass es eine positive Zukunftsprognose gibt - um sicherzustellen, dass man nicht wieder zurück in sein Geburtsgeschlecht möchte. Seit dem Jahr 2010 muss sich niemand mehr einer geschlechtsanpassenden Operation unterziehen. Das habe ich am Verfassungsgerichtshof und Michaela P. hat das am Verwaltungsgerichtshof erreicht.

dieStandard.at: Nun sind 2011 auch Deutschland und die Schweiz mit dem Verbot eines staatlichen Zwangs zu geschlechtsanpassenden Operationen nachgezogen. Ist das eine Genugtuung für Sie?

Donner: Natürlich ist es das. Das Wissen etwas mitverändert zu haben, das mich seit Kindestagen an stört, ist ein befreiendes Gefühl. Bei Buchpräsentationen in Karlsruhe und München wollten mich die Menschen umarmen und man spürt, dass durch diese Urteile von ihnen eine große Last abgefallen ist. Das beweist, dass es richtig war eineinhalb Jahre Energie, Zeit und Geld in diesen Rechtskampf zu investieren.

dieStandard.at: Haben sich alle in der Transgender-Community über ihren Erfolg gefreut?

Donner: Nein, ich habe in Internetforen Morddrohungen bekommen und auch meine Freundin Mandy wurde beschimpft. Diese Reaktionen kamen vor allem von Leuten, die ihren Körper perfekt haben wollen und schon unzählige Schönheitsoperationen hinter sich haben. Daraufhin hab ich unter den Drohungen meine genaue Adresse gepostet und die Leute um einen Besuch gebeten. Gekommen ist bis heute niemand.

dieStandard.at: Warum haben Sie nach dem Rechtskampf auch noch Ihre Biographie "Tiger in High Heels" verfasst?

Donner: In diesem Buch sind alle Themen verarbeitet, die mich seit meiner Kindheit beschäftigen. Angefangen von meinem Lebensweg über Religion bis hin zu Spiritualität. Ich habe schon immer stark über mich selbst und die Gesellschaft reflektiert. Der konkrete Auslöser, dass ich zu schreiben begonnen habe, war aber die Rede des Herrn Ratzinger (Papst Benedikt XVI., Anm. d. Red.) Ende 2008. In ihr forderte er eine Humanökologie und sprach sich gegen Transgenderpersonen und Homosexuelle aus. Das betrifft mich in doppelter Weise: Ich habe nämlich auch eine Freundin.

dieStandard.at: In der Einleitung Ihres Buches sprechen Sie sogar davon "die Kirche zum Einsturz" bringen zu wollen. Wie soll das gehen?

Donner: Vielleicht löst mein Buch etwas aus. Ich bin fest der Meinung, dass auch der Einzelne viel erreichen kann. Es könnte sein, dass jemand Ideen aus meinem Buch aufschnappt und dann beschließt, etwas zu verändern. Für mich ist die Kirche jedenfalls ein Verein, der sich nicht an seine Vereinsstatuten, also den Katechismus, hält. Wenn die Bibel die Verfassung ist, dann ist der Katechismus schwer verfassungswidrig. Eine der Aussagen in meinem Buch ist auch, dass Gott weder männlich noch weiblich sein kann, sondern geschlechtsneutral oder zweigeschlechtlich sein muss. Wenn man sich ansieht, wie die Gesellschaft mit Menschen umgeht, die die Geschlechtergrenzen verwischen, dann ist das für mich eine gottlose Gesellschaft.

dieStandard.at: In Ihrem Buch bezeichnen Sie sich als Gesamtkunstwerk. Wie darf man das verstehen?

Donner: Weil ich ein Mann bin, der als Frau lebt. Und weil die Gesellschaft für Leute wie mich keine Schubladen hat. Ich habe mehr Freiheiten was meinen persönlichen Ausdruck, mein Erscheinungsbild und meine Gefühle betrifft. Ich habe voll und ganz als Mann gelebt und weiß, was es bedeutet. Ich war erfüllt von diesem Leben aber es hat mich nicht ruhig gemacht. Das hat sich durch mein Frausein geändert. Ich kenne beide Seiten.

dieStandard.at: Sie erzählen im Buch, dass Sie sich als Kind schon als Frau gesehen haben.

Donner: Ja, aber das hat sich immer nur auf mein Aussehen bezogen. Meinen Körper wollte ich nie verändern. Außerdem war ich nie sexuell an Männern interessiert. Ich habe eine Zeit lang alles versucht, damit ich männlicher wirke. So hatte ich zum Beispiel eine androgyne Stimme aber habe stundenlang geschrien und gegrölt, damit sie tiefer wird. Das ist heute anders. (lacht)

dieStandard.at: Könnten Sie sich eine Beziehung mit einer anderen Transfrau vorstellen?

Donner: Ich bin in Partnerschaften immer sehr treu. Deshalb kommt jemand anderer als meine Freundin für mich nicht in Frage. Ich hatte aber einmal eine Phase, in der mich das männliche Genital interessiert hat. Nie aber der Mann, der rundherum war. Mit einer Transfrau könnte ich mir deshalb sehr wohl etwas vorstellen.

dieStandard.at: Ihr Vater ist noch vor dem Geschlechterwechsel gestorben. Aber wie hat Ihre Mutter auf ihre neue Tochter reagiert?

Donner: Meine Mutter hat nichts gecheckt. Als ich ihr ein paar Fotos gezeigt habe, auf denen ich als Frau umgestylt war, hat sie gefragt, ob das meine Cousine oder meine neue Freundin ist. Als ich ihr dann erzählt habe, dass ich das bin, hat sie sich zuerst gefreut. Am nächsten Tag hat sie mich aber vollkommen fertig angerufen und gefragt, was sie als Mutter falsch gemacht hat. Meine Antwort: "Nichts. Du hast mir nur zu wenig Make Up gekauft". Mittlerweile sieht sie es nicht mehr so, dass sie einen Sohn verloren, sondern eine Tochter gewonnen hat.

dieStandard.at: Im Buch beschreiben Sie Ihre Großmutter als wichtigen Menschen. Hätte sie den Geschlechterwechsel verstanden?

Donner: Meine Oma hat immer zu mir gesagt, dass man sich sogar eine Straußenfeder in den Arsch stecken und durch die Stadt laufen könnte und trotzdem niemand etwas sagen dürfte. Ich habe diese Philosophie mitgenommen. Ich bin mir auch sicher, dass sie meinen Lebensweg gutgeheißen hätte.

dieStandard.at: Auf Ihrem Lebensweg hatten Sie laut Buchuntertitel zwei Käfige zu überwinden. Wofür stehen die?

Donner: Mein erster Käfig war eine sehr männliche und machohafte Rolle. Dabei habe ich mich um meine Sanftheit und sensible Gefühlsrolle betrogen. Das war die Zeit in der ich beim Bundesheer begonnen und Kraftsport gemacht habe. Mein zweiter Käfig war dann Monique Dumont, meine erste weibliche Rolle. Sie war sehr verspielt aber mir hat die Lockerheit und Gelassenheit gefehlt. Das perfekte Styling war wieder wie eine Uniform. Ich habe beides als sehr einengend empfunden. 

dieStandard.at: Als Sie noch Monique Justl und offiziell noch keine Frau waren, gab es einen Artikel auf dieStandard.at über Sie. Damals haben Sie sich mit den Usern im Forum auf eine Diskussion eingelassen. Warum?

Donner: Ich möchte mein kämpferisches Ego bewusst einsetzen, damit den Menschen klar ist, dass es immer noch um einen Menschen geht. Da gibt es Leute, die anonym einen Menschen, der alle Energie für seinen Lebensweg braucht, öffentlich diskreditieren. Wenn mir so etwas passiert, dann denke ich mir schnell "Runter von meinen Füßen".

dieStandard.at: Waren Sie schon immer so selbstbewusst?

Donner: Nein. Schlimm war es, zum ersten Mal als Frau zur Arbeit zu gehen. Die Vorstellung, dass ich das erste Mal durch das Kasernentor stöckeln werde, hat mir Angst gemacht. Ich hatte zur Sicherheit Reserveschuhe in der Tasche und habe meiner Freundin noch im Zug geschrieben, dass ich sie wahrscheinlich anziehen werde. Zum Glück habe ich das aber doch nicht gemacht. Ich bin den ganzen Tag geschwebt.

dieStandard.at: Wie soll es persönlich und beruflich weitergehen?

Donner: Beruflich würde ich gerne zwei Schienen fahren. Zum einen will ich mich mehr auf das Schreiben konzentrieren und zum anderen würde ich mich gerne therapeutisch betätigen. Ich habe eine Ausbildung zur Lebensberaterin gemacht und bin auch beim Bundesheer für die Help-Line tätig. Privat bin ich in der Beziehung mit meiner Freundin sehr glücklich und wünsche mir nur ein Haus am Waldrand, wo ich meine Ruhe habe. Und wenn es irgendwann möglich ist, dass zwei Frauen heiraten, dann würde ich das gerne tun. Notfalls erstreite ich mir auch dieses Recht. Ich würde mich aber auch freuen, wenn mir jemand zuvorkommt und das übernimmt.

dieStandard.at: Wünschen Sie sich noch Kinder?

Donner: Ich habe mir früher Kinder gewünscht, jetzt nicht mehr. Aber wenn es passiert, dann würde ich mich freuen. Ich denke auch nicht, dass es für die kindliche Entwicklung ein Problem sein wird, dass es zwei Mütter hat. Ein Kind braucht nicht nur Elternteile, die die zwei Geschlechterrollen vorleben sondern vor allem Förderung, Liebe und Zuneigung. Es gibt in unserer Gesellschaft bei Alleinerzieherinnen zudem viele soziale Elternfiguren wie Großeltern, Freunde oder Bekannte. Das funktioniert auch.

dieStandard.at: Was würden Sie Ihren Kindern mitgeben?

Donner: Dass sie sich eine Straußenfeder in den Arsch stecken dürfen und ich mich nicht aufregen werde. (lacht) Nein, ernsthaft. Ich würde Ihnen sagen, dass sie ihr Leben gemäß ihrem inneren Bild von sich leben sollen. Auch wenn das die Gesellschaft vielleicht nicht gutheißt. (Bianca Blei, dieStandard.at, 20.5.2011)