Auch über das ÖBB-Italien-Debakel wird Gras wachsen.

Foto: STANDARD/Corn

Linea S.p.A. im oberitalienischen Novara braucht fünf Millionen Euro - ihr Exchef einen Bonus.

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Wien - Um ihr marodes Italien-Geschäft hochzufahren, muss die ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) deutlich tiefer in die Tasche greifen, als bisher bekannt. Die verlustreiche Causa rund um den 2008 gegründeten RCA-Ableger Linea S.p.A. wächst sich aus, mittlerweile ist in der ÖBB-Spitze von fünf bis 5,5 Millionen Euro die Rede, die bei Linea S.p.A. zugeschossen werden müssen.

Show-down Mitte Juni

Für heiße Debatten in der ÖBB-Führung ist damit gesorgt, der Show-down wird Mitte Juni erwartet. Da hat ÖBB-Holding-Chef Christian Kern - er steht dem RCA-Aufsichtsrat vor - eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung anberaumt. In der soll das seit 2008 produzierte Debakel rund um die unter der im Vorjahr verabschiedeten RCA-Führung aus Friedrich Macher, Günther Riessland und Ferdinand Schmidt aufgebaute Eisenbahntochter in Venetien aufgearbeitet werden.

Warum der Nachschuss plötzlich viermal höher ausfällt als noch vor zwei Wochen angenommen, war am Freitag nur in groben Zügen in Erfahrung zu bringen. Laut STANDARD-Recherchen ist der hohe Aufwand zumindest teilweise den internationalen Bilanzierungsregeln IFRS geschuldet, nach denen die ÖBB ihre Jahresabschlüsse erstellen muss. Gemäß italienischem Bilanzregeln wären "nur" 1,2 bis 1,7 Mio. Euro notwendig, laut IFRS betrage der Verlust gut zwei Mio. Euro. Hinzu kämen jede Menge Abschreibungen bei dem seit drei Jahren konsequent in der Verlustzone herumkurvenden Linea; darunter jene uneinbringliche Forderung über 700.000 Euro, die ein vom früheren Linea-Mitgesellschafter FVH kontrollierter Flüssiggashändlers hinterlassen habe.

"Vergessen" mit Folgen

Diese Forderung ist, wie der STANDARD exklusiv berichtete, ein besonderes Schmankerl. Sie wurde in der Bilanz 2010 "vergessen", wie eine Sonderprüfung von Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers im Frühjahr 2011 ergab. Dieses "Vergessen" blieb nicht ohne Folgen: Die bereits im Juni 2010 vorgenommene Rekapitalisierung der Linea durch ihre Mutter RCA war egalisiert. Heißt auf gut Deutsch: Linea war danach wieder pleite, es muss erneut Geld zugeschossen werden, sonst verliert die Güterbahn ihre Lizenz zum Zugfahren in Italien.

Ganz plausibel ist dieses "Vergessen" freilich nicht, denn der Prüfungsausschuss des Linea-Verwaltungsrats war seit 14. April 2010 alarmiert: Das Linea-Eigenkapital sei negativ, ohne Zuschuss müsste der Betrieb (mit 120 Beschäftigten) liquidiert werden.

Linea-Finanzchef wechselt zu Spindelegger

Vergleichsweise billig, dafür aber heikel und vor allem politisch hochbrisant ist der zweite Tagesordnungspunkt in der außertourlichen Sitzung der RCA-Aufseher im Juni: Die Abfertigung von Linea-Finanzchef Johannes Kasal. Er war ab 30. April 2010 Präsident des Linea-Verwaltungsrats und ab 7. Juni 2010 auch Linea-Finanzchef. Im Juni wechselt er ins Kabinett von Vizekanzler Michael Spindelegger. Seinen bis 2015 laufenden Linea-Vertrag (Jahresfixum: 150.000 Euro) wird ihm die ÖBB nolens volens auszahlen müssen, denn das sieht der von der damaligen RCA-Führung fixierte Vertrag auch bei Selbstkündigung vor. Strittig ist darüber hinaus, ob die RCA für das tiefrote Linea-Ergebnis 2010 tatsächlich 50.000 Euro Bonus zahlen muss. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.5.2011)