Männliche Brunst ist derzeit ein Thema, und verdienstvoller Weise wird es unter verschiedenen Blickwinkeln behandelt. Naheliegend der zoologische. Er zollt nicht nur der Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit einer Persönlichkeit Tribut, wie es ein Chef des Internationalen Währungsfonds nun einmal ist, sondern er zeigt auch, welche animalische Vorlieben "Die Presse" von der "Kronen Zeitung" unterscheiden. Feinsinnig wie gewohnt, entschied sich "Die Presse" unter dem Zwischentitel "Wie ein brünstiger Schimpanse" für das dem Menschen am nächsten stehende Wesen. Sie zitierte die Journalistin Tristane Banon, die zu berichten wusste, bei einem Interviewtermin 2002 sei DSK über sie hergefallen wie ein "brünstiger Schimpanse". Nicht ganz so hoch wollte die "Kronen Zeitung" bei der Auswahl ihres Zitats greifen. Sie ließ sich von einer britischen Zeitung erzählen, was eine Schauspielerin dieser über DSK erzählt hat, nämlich, bei einem Schäferstündchen in Paris sei er "wie ein Gorilla" über sie hergefallen.

Beide Blätter sind ihrer Informationspflicht indes nicht in wünschenswertem Umfang nachgekommen, hätte doch sicher der Zwischentitel Im Bett war er "wie ein Gorilla" den Horizont der "Presse"-Leser erweitert, so wie der brünstige Schimpanse einiges zur Veredelung der "Krone"-Leser hätte beitragen können. Schade um diese vertane Chance.

"Die Presse" hat diesen Mangel durch die ausführliche Behandlung des Verschwörungsaspektes ausgeglichen. In einem Subtext auf Seite 13, Economist, schuf Norbert Rief Klarheit: Der Chef des IWF, der sich wie ein brünstiger Schimpanse aufführt? Ganz sicher nicht: Hinter dem Vergewaltigungsvorwurf steckt eine internationale Verschwörung, nämlich diese: Wie der Mossad und Sarkozy Dominique Strauss-Kahn hereinlegten.

Und zwar so: Die Nummer des Zimmers, in dem es zu dem angeblichen Vergewaltigungsversuch kam, ist 2806. Und am 28. 06. endet die Bewerbungsfrist der Sozialisten für die französische Präsidentschaft. Na bitte! Außerdem: Wenn man die Zahlen 2, 8, 0 und 6 zusammenzählt, kommt man auf 16. Darin sind die Zahlen 3, 5 und 7 enthalten - heilige Zahlen der Freimaurerei! -, und wenn man von 16 drei abzieht, ergibt das 13 - und das bedeutet Unglück.

Das war natürlich satirisch gemeint, weshalb der Autor, um "Presse" -Leser nur ja nicht anrennen zu lassen, delegierte: Genauer erklärt das die Kollegin auf Seite 21, aber so viel ist nach der Rechnerei wohl klar: Es war ein Komplott.

Die Kollegin auf Seite 21, Feuilleton, erklärte zwar nicht genauer, aber immerhin, auf welche Quelle sich die Verschwörung stützte: Da wurde doch im Netz kolportiert, der wegen Vergewaltigung eines Zimmermädchens angeklagte Strauss-Kahn sei in Hotelsuite 2806 abgestiegen. Und am 28. Juni sind doch französische Vorwahlen. Da kam das Netz bei der Kollegin aber schön an! Ein kühner Griff, zerrissen war's! Stimmt aber nicht! Bis 28. Juni können sich lediglich Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur der französischen Linken anmelden. Das hatte man schon auf Seite 13 erfahren, aber wenn man schon dem Verschwörungsmumpitz aus dem Netz zwei Kolumnen widmet, soll man wenigstens etwas über den französischen Wahlkampf erfahren. Und wieso soll es keine Verschwörung sein, nur weil an dem bewussten 28. Juni keine französischen Vorwahlen stattfinden?

Endgültig Klarheit über die Geschichte, die nicht einleuchtet, schuf dann am Donnerstag der Mathematiker Rudolf Taschner in seiner Kolumne. Er deklarierte die gestreuten Verschwörungstheorien als putzig: In der gestrigen "Presse" wies Norbert Rief darauf hin. Allerdings mit einer Mathematik, die sich trotz aller Anstrengung meinem Verstehenkönnen entzieht. Dass die Ziffernsumme von 2806 - Strauss-Kahns Zimmernummer im Hotel - die Zahl 16 ergibt, ist klar. Warum aber darin die Zahlen 3, 5 und 7 - "heilige Zahlen der Freimaurer", schreibt Rief - "enthalten sind, leuchtet einfach nicht ein.

Mit 105 wäre es einleuchtend, dann wäre die Ziffernsumme zwar nur 6 gewesen, aber mit einer Zimmernummer 2301 hätte jede Verschwörung zusammenbrechen müssen, und die Freimaurer hätten trotz ihrer heiligen Zahlen schon deshalb einpacken können, weil am 23. Jänner weder französische Vorwahlen stattfinden noch eine Kandidatenbewerbung.

Was Arnold Schwarzenegger betrifft, wurde kein animalisches Verhalten gemeldet. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 21./22.5.2011)