Wien - Am Ende explodierte noch - in die ausgelassene Applausstimmung hinein - das eine oder andere herzhafte Buh für den Regisseur. Ein Rätsel allerdings, wofür Marco Arturo Marelli abgestraft wurde. Der versierte Geschichtenerzähler, der an der Wiener Staatsoper schon Elegantestes abgeliefert hat (Fallstaff, Medea-Uraufführung), das von seinem Gefühl für filigrane Details zeugte, hat zwar bei dieser Lustigen Witwe der Routine und dem Leerlauf Kurzauftritte gewährt, im Großen und Ganzen jedoch ist ihm (auch fürs Bühnenbild verantwortlich) das gelungen, was man sich von ihm wohl erhofft hat: eine solide Konsensinszenierung, eine Fingerübung, die den Rechenkünstlern der Wiener Volksoper im In- und Ausland dauerhaft Freude bereiten könnte, indem sie jenen im Werk zahlreich schlummernden Heiterkeitskräften behilflich war.
Da wäre zunächst die zweckdienliche Bühnenausgestaltung: Die wellenartig sich windenden Art-déco-Wände mit ihren Drehtüren und verschiebbaren Elementen taugen als Blickfang wie als Schauplatz schneller Situationswechsel. Zudem suggerieren sie einen Salon, von dem aus man einen schönen Blick auf Paris samt Eiffelturm hat. Das generiert Atmosphäre. Natürlich wäre es schön gewesen, hätte Marelli alle Figuren mit jener kurzweiligen Prägnanz ausgestattet, wie sie dem Kanzlisten Njegus zuteilwurde.
Volksoperndirektor Robert Meyer ist der gerne auf dem Rad daherkommende Running Gag dieser Inszenierung, der seine Lebemannfantasien virtuos andeutet, beim Servieren von Getränken dann aber auch als talentierter Verwandter jenes beschwipsten Butlers namens James wirkt, der in Dinner for One eine alte Dame umsorgt.
Um ihn herum entspannte Heiterkeit, Herzschmerz und etwas Revueglanz: Einem riesigen Zylinder entschlüpfen die Grisetten und verbreiten (auch auf einem Bein) ein bisschen Ausgelassenheit (Choreografie: Renato Zanella). Und ja, es lässt Marelli vor allem die Herren punktuell im Kollektiv aus der Rolle fallen. Ihre Lächerlichkeit bringt Lebendigkeit.
Im Zentrum allerdings nichts Exzentrisches: Alexandra Reinprecht (als Hanna Glawari) singt und spielt passabel eine selbstbewusste Dame ohne Dünkel. Und Daniel Schmutzhard (als Graf Danilo) singt hervorragend, bleibt aber in seiner Rollenauffassung etwas brav. Hätte Dirigent Henrik Nanasi ihn darin unterstützt, einige lyrische Feinheiten anzubringen, wäre es möglich gewesen, diese auch zu hören.
Es war dieses Lautstärkeproblem jedoch ein hartnäckiges: Aus dem Orchestergraben klang es zwar engagiert, beherzt im Reschen, aber zu oft auch vordergründig und im Verhältnis zu den Sängern aufdringlich, wodurch es selten zu jener Leichtigkeit des Operettenausdrucks kam, die aus einer guten Kommunikation zwischen Orchester und Gesang entsteht. Nicht zu vergessen natürlich das recht gute Ensemble, etwa Kurt Schreibmayer (als Zeta), Sophie Marilley (als Valencienne) und Mehrzad Montazeri (als Rossillon). Ja, recht oft hörte man sie auch gut ... (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Printausgabe, 23. 5. 2011)