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Salvador Allende auf einem Archivbild.

Foto: REUTERS/Stringer/Files

Santiago/Wien - Am Montag wurden am Zentralfriedhof von Santiago die menschlichen Überreste exhumiert, die sich im Sarg des 1973 zu Tode gekommenen chilenischen Expräsidenten Salvador Allende befanden. Auf Anordnung des Richters Mario Carroza werden Gerichtsmediziner zunächst die Identität exakt feststellen, die DNA analysieren sowie das Gebiss untersuchen.

Bisher waren zwei Beerdigungen und verschiedene Identifizierungsversuche irregulär verlaufen. Am 11. September 1973 hatten die Anführer des Militäraufstands eiligst die Mordkommission zur Erstellung eines Berichts über den Tod Allendes sowie zur Durchführung einer Autopsie beauftragt. Die dabei verfassten Dokumente wurden später wegen verschiedener Widersprüche kritisiert. Jetzt sollen nach der Exhumierung Fragen über Allendes Todesursache beantwortet werden: War es ein einfacher Selbstmord? Gab es dazu Beihilfe - oder war es eine Erschießung?

Heimliches Begräbnis

Am Nachmittag des 11. September 1973 trugen drei Soldaten und einige Feuerwehrleute aus dem Regierungspalast La Moneda ein schweres Bündel heraus, das in eine gemusterte, von einem Kunsthandwerker gewebte Decke gewickelt war, die Allende als Geburtstagsgeschenk erhalten hatte. Das Bündel wurde in eine Ambulanz ins Militärspital gebracht. Als Allendes Witwe Hortensia Bussi und sein Neffe Eduardo Grove Allende am nächsten Tag im Spital erschienen, wurden sie zum Flughafen Los Cerrillos umdirigiert. Der Sarg, der versiegelt war, kam in eine DC-3 der Luftstreitkräfte.

Von einer küstennahen Militärbasis fuhren sie im Konvoi zum Santa-Inés-Friedhof des Seebades Viña del Mar. Beim Mausoleum der Familie Grove Allende warteten etliche Militärs, die Hortensia Bussi kühl begrüßte. "Sie sollten mich nicht weinen sehen", sagte sie später.

Die Witwe bestand darauf, den Toten noch einmal sehen zu dürfen. Der Deckel wurde angehoben, aber sie erkannte nur ein Leintuch.

17 Jahre später ordnete der demokratisch gewählte Präsident Patricio Aylwin ein zweites, dieses Mal offizielles Begräbnis Allendes an. Am 17. August 1990 kam es in Viña del Mar zu einer symbolischen Identifizierung Allendes durch den Arzt Arturo Jirón, der während des Putsches 1973 an seiner Seite geblieben war. Nun drang er, beim Licht von Laternen und Taschenlampen, ins Mausoleum ein. "Ich erkannte seinen Pullover und sein Tweed-Sakko - sein Schädel war zertrümmert", sagte Jirón 2007 dem Autor dieser Zeilen.

Nach dieser zweifelhaften Identitätsfeststellung wurde der Leichnam rasch und ohne Aufsehen - Pinochet war noch Heereschef - nach Santiago gebracht. Dort gab es für den Expräsidenten - ein Freimaurer und möglicher Selbstmörder - eine Zeremonie in der Kathedrale, ehe er ins Familiengrab am Cementerio General überführt wurde. (Eduardo Labarca, STANDARD-Printausgabe, 24.5.2011)