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Peter Pilz über Johannes Hahn: "Ich bin verwundert, dass die Universität Wien den ehemaligen Wissenschaftsminister gedeckt und geschützt hat."

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Das Gutachten von Plagiatsjäger Stefan Weber ergab, dass insgesamt 17,2 Prozent der Gesamtzeilenanzahl der Arbeit von Regionalkommissar Johannes Hahn (ÖVP) plagiiert wurden. Weber hat in seinem Gutachten 76 Plagiatsfragmente auf 64 Seiten gefunden, insgesamt hat die Dissertation 254 Seiten. Teilweise habe Weber seitenweise abgeschriebene, nicht gekennzeichnete Zitate gefunden, so der Grüne Peter Pilz bei der Präsentation des Gutachtens.

Drei Formen des Plagiierens

Weber unterscheidet in seinem Gutachten drei Arten des Plagiats. Hahn hat demnach einerseits Textsegmente als Zitate gekennzeichnet, dann aber "ungekennzeichnet und unbelegt" aus der davor genannten Quelle abgeschrieben. "Beim Lesen entsteht der Eindruck es 'spreche' nun wieder Hahn", heißt es im Gutachten. Die zweite Art des Plagiats, die Weber gefunden hat, sind wörtliche oder mit minimalen Anpassungen übernommene Fragmente, die nur mit Fußnoten, aber nicht mit Anführungszeichen versehen wurden. Dadurch werde nicht klar, auf welche Belege aus der Originalliteratur sich Hahn genau bezieht.

Sprachliche Adaptionen solcher Textpassagen würden darauf hinweisen, dass "hier nicht bloß Anführungszeichen 'vergessen' wurden, sondern vielmehr das Integrieren der fremden Textsegmente in den laufenden Text Hahns absichtsvoll und planvoll geschehen ist", schreibt der Gutachter. Die dritte "Spielart" des Plagiats, der sich Hahn laut Weber bedient, ist, dass er manchmal Textfragmente um einen (teils belegten) Kern übernimmt, aber auch hier nur zu einem Teil korrekt auf die Quelle verweist.

"Dissertation eher eine Textcollage"

In seinem Gutachten weist Weber darauf hin, dass es auch laut den Büchern zum wissenschaftlichen Arbeiten aus der Zeit, als Hahn studierte,  heißt, dass ein direktes Zitat in Anführungszeichen gesetzt werden muss. "Gegen diese Regeln hat Johannes Hahn erheblich verstoßen", schließt Weber. Er bewertet die Dissertation Hahns als "Textcollage", die nicht als wissenschaftliche Dissertation bezeichnet werden kann. Für ein Verfahren der Universität Wien sei nun relevant, ob Hahn eine schlechtere Note bekommen hätte, wenn er alle "wörtlich oder nahezu wörtlich übernommenen Textsegmente korrekterweise wortwörtlich wiedergeben und in Anführungszeichen gesetzt hätte". 

5.000 Euro fürs Gutachten

Der Grüne Klub hat Weber für die Erstellung des Gutachtens 5.000 Euro gezahlt. Pilz, der das Gutachten auch auf seinem Blog veröffentlichte, sieht nun die Universität Wien und den Kommissionspräsidenten der Europäischen Union am Zug. "Ich bin verwundert, dass die Universität Wien den ehemaligen Wissenschaftsminister gedeckt und geschützt hat", so Pilz. Im Ö1-Mittagsjournal rief Pilz den Regionalkommissar zum Rücktritt auf. Das Gutachten beweise, dass sich Hahn seinen Doktortitel "erschlichen" hat, so der grüne Abgeordnete.

Hahn: "Gutachten politisch motiviert"

Hahn hat die Plagiats-Vorwürfe als haltlos zurückgewiesen. Das Gutachten von Weber über seine Dissertation sei "politisch motiviert, wenig überraschend und nicht maßgeblich", so Hahn in einer Stellungnahme. Für die Beurteilung der 1987 gemäß der damals geltenden Studienordnung der Universität Wien abgeschlossenen und approbierten Arbeit sei einzig und allein die Universität Wien bzw. die von ihr beauftragten Experten zuständig. 

Verweis auf Gutachten aus Zürich

Hahn verweist dabei auch auch auf ein Gutachten der Universität Zürich aus dem Jahr 2007. Dieses habe ergeben, "dass es sich bei der Dissertation von Dr. Hahn um kein Plagiat handelt". Genau dieses Gutachten hatte Weber aber kritisiert, da nur manche Stellen und nicht die gesamte Arbeit untersucht worden war.

Der Sprecher des Kommissar, Ton Van Lierop, erklärte, "Hahn macht an allen wichtigen inkriminierten Stellen eine Quellenangabe (...) Der Leser kommt nie auf die Idee, die verhandelten Sachen seien das Resultat der Forschungen von Hahn". Außerdem verweist der Hahn-Sprecher darauf, dass für eine objektive und seriöse Beurteilung der vor 25 Jahren entstandenen Dissertation die Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Entstehung geltenden Vorgaben (Studienordnung, Zitierstandards) unerlässlich sei. Darauf werde bereits im Züricher Gutachten hingewiesen.

Pilz: Ähnlicher Fall beim Verwaltungsgerichtshof

Peter Pilz verwies darauf, dass die Uni Wien laut dem Universitätsgesetz die Verleihung des akademischen Titels aufheben müsse, wenn dieser - wie laut Gutachten in Hahns Fall - "erschlichen" wurde. Es gebe auch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) aus 2009 zu einem der Dissertation Hahns sehr ähnlichen Fall, in dem ebenfalls Techniken verwendet wurden, die - wie es in dem Gutachten heißt - "auf bewusste Verschleierung hindeuten". Es könne gut sein, dass der VwGH sich auch mit der Arbeit des "Doktoratsschwindlers" Hahn beschäftigen werde, glaubt Pilz.

Das Gutachten wurde bereits am Vormittag der Uni Wien übermittelt, es soll auch an die europäische Kommission gehen. Von dieser erwartet sich Pilz, dass sie - angesichts des schwindenden Vertrauens in alle Ebenen der EU - "zumindest die Standards der deutschen Bundesregierung auch in Brüssel" anwende. Von Hahn selbst erhofft sich Pilz, dass er sich "mit Anstand" aus seinem Amt zurückzieht. Es sei nun "sinnvoll, abzuwarten ob Hahn dem Beispiel Guttenbergs folgt", sagte Pilz in Anspielung auf den wegen ähnlicher Vorwürfe zurückgetretenen ehemaligen deutschen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg.

Uni Wien: Einstweilen keine Schritte gegen Hahn

Die Uni Wien sagte zur APA, dass sie aufgrund des Gutachtens von "Plagiatsjäger" Stefan Weber keine Schritte gegen Hahn einleiten wird, man warte das bei der Agentur für wissenschaftliche Integrität beauftragte Gutachten ab, in dem wohl auch Webers Untersuchungen berücksichtigt werden. In einer Aussendung betont die Universität, dass sie "noch nie eine Anzeige liegen gelassen hat" und eine Prüfung eingeleitet werde, sobald es möglich erscheine, dass bei wissenschaftlichen Arbeiten die Regeln nicht eingehalten werden. Zudem sei es falsch, dass - wie Pilz behauptet hatte - Arbeiten von Ministern anders behandelt werden würden. Die Agentur für wissenschaftliche Intigrität hätte ein Ende der Prüfung von Hahns Dissertation bis zum Beginn des kommenden Studienjahres, also im Herbst, zugesichert.

Spindelegger will sich nicht zum Gutachten äußern

Außenminister und ÖVP-Chef Michael Spindelegger hat am Montag in Brüssel erklärt, er wolle sich zu den Plagiats-Vorwürfe gegen EU-Regionalkommissar Johannes Hahn in Zusammenhang mit dessen Doktorarbeit nicht näher äußern. "Da ist offenbar ein Gutachten in Auftrag gegeben worden vom Grünen Klub, ich möchte das nicht bewerten, ich habe es nicht gesehen". (Lisa Aigner, derStandard.at, 23.5.2011/APA)