Ulrich Lothringen-Habsburg machte immer wieder als Leserbriefschreiber auf sich aufmerksam. Einmal schlug der Grüne vor, Kärnten abzuspalten und ein eigenes Staatswesen mit Slowenien und Friaul zu gründen.

Foto: Benedikt Narodoslawsky

In der Monarchie, sagt Habsburg, hätten die Mächtigen im Unterschied zu heute noch langfristig gedacht. Heute dächten die Politiker nur noch von einer Regierungsperiode zur nächsten. Sein Lösungsansatz gegen zu kurzfristiges Denken in der Politik: Das Budget in eine langfristige und in eine kurzfristige Planung für aktuelle Vorhaben aufteilen.

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Habsburg-Lothringen sitzt für die Grünen im Wolfsberger Gemeinderat. Er wünscht sich mehr Elite in der Politik. Ob dann ein repräsentatives Parlament noch möglich sei, in dem ein einfacher Eisenbahner seine Klientel vertritt? "Der Generaldirektor von der Eisenbahn ist auch ein Eisenbahner", sagt Habsburg.

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Zwischen Maria-Theresia und Ulrich Habsburg stehen sechs Namen im Stammbuch: Kaiser Leopold II., die Großherzöge von der Toskana Ferdinand III., Leopold II., Ferdinand IV. sowie Heinrich Ferdinand und Ulrichs Vater Heinrich.

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Man merke nicht, dass er adelig sei, sagt Habsburg in Bluejeans, Polo und Jacket. Nach dem Gespräch deutet der Adelsspross auf zwei große Gemälde im Cafe Central, die Kaiser Franz Joseph und Sisi zeigen. Er fragt, ob die nicht der geeignetere Hintergrund für die Interview-Fotos gewesen wäre. Gerne posiert er für die Kamera noch einmal vor ihnen.

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Noch vor dem Sommer wird in Österreich das Habsburger-Kandidaturverbot fallen. Somit könnten Mitglieder von ehemaligen Herrscherhäusern auch Bundespräsident werden. Frohlocken kann darob auch Ulrich Habsburg-Lothringen, der die Diskussion um das Verbot angestoßen hatte. Nun würde es ihn reizen, wieder um den Posten in der Hofburg anzutreten, sagt er im Interview mit derStandard.at auf einer rot gepolsterten Bank im Wiener Café Central, 300 Meter von dort entfernt, wo einst Kaiserin Maria Theresia herrschte und heute Bundespräsident Heinz Fischer repräsentiert.

derStandard.at: Herr Habsburg, der Adel ist nach dem Ersten Weltkrieg in Österreich abgeschafft worden. Wie müsste man Sie ansprechen, wenn es ihn noch geben würde?

Habsburg-Lothringen: Ulrich Erzherzog von Österreich.

derStandard.at: Vor einigen Jahren haben Sie sich für eine Abspaltung Kärntens ausgesprochen. Sie wollten ein eigenes Staatswesen mit Slowenien und Friaul gründen. Wie stehen Sie heute dazu?

Habsburg-Lothringen: Niederösterreich und Wien haben sich damals gegen den Semmering-Basis-Tunnel gestellt. Früher haben Kärnten, Steiermark, Krain und das Küstenland Innerösterreich gebildet. Das war ein System, das auch verkehrsmäßig viel besser vernetzt war. So hätten wir einen Seehafen, die gleiche Geschichte haben diese Regionen auch.

derStandard.at: Verfolgen Sie diesen Vorschlag noch weiter?

Habsburg-Lothringen: Wenn ich Bundespräsident werde, wird das nicht gehen. Mir ist es darum gegangen Ideen zu sammeln. Zu dem Zeitpunkt war die Verkehrsthematik aktuell und gleichzeitig auch die Ortstafelfrage. Ich hab viele Gastkommentare und Leserbriefe dazu geschrieben.

derStandard.at: Wenn Sie die Politik Ihrer Vorfahren mit der heutigen Politik vergleichen: Was könnten sich unsere Politiker von der Monarchie abschauen?

Habsburg-Lothringen: Die Politik war damals langfristiger angelegt als heute. Wir haben das Problem, dass wir alle paar Jahre wählen. Es kann sich kein Politiker erlauben, über seine Legislaturperiode hinaus wirkende Entscheidungen zu treffen. Es gibt nur Reaktionen auf die Tagespolitik. In der Monarchie wurden etwa Strukturkonzepte – beispielsweise für Infrastruktur – langfristiger und großräumiger angelegt: Schienennetze, Kanalbauten und so weiter.

derStandard.at: Was müsste sich ändern, um langfristiges Denken in die Politik zu bringen?

Habsburg-Lothringen: Ein Lösungsansatz wäre, das Budget in eine langfristige und in eine kurzfristige Planung für aktuelle Vorhaben aufzuteilen. In der Gemeindepolitik in Wolfsberg merke ich derzeit: Langfristige Planungen werden sofort abgeschmettert. Gedanken werden nicht einmal gesammelt. Es heißt: "Wir haben kein Geld. Das passt nicht hinein." Dabei gibt es in jedem Betrieb eine langfristige und eine kurzfristige Planung. Warum soll das nicht auch in der Öffentlichkeit sein? Die Kommunen haben ja sehr viel mit Investitionsplanung zu tun – Infrastruktur zum Beispiel. Aber derzeit plant man nur von einer Regierungsperiode zur anderen.

derStandard.at: Sind Adelige die besseren Politiker?

Habsburg-Lothringen: Das hängt glaube ich eher von der Bildung und Erziehung ab. Beim Adel wurden Werte mehr geschätzt als bei Leuten in der heutigen Zeit. Auf Dauer wird sich ein System nicht aufrecht erhalten können, wenn man keine breit verbindlichen Werte hat. In der Gesellschaft fehlen Werte von Gerechtigkeit, ethische Werte fehlen überhaupt. Im Adel ist das noch etwas mehr vorhanden. Aber man wird natürlich für dumm angesehen, wenn man auf so etwas pocht. Der Adel war früher im Gegensatz zu heute auch etwas religiöser. Religion hat ja mit Werten zu tun.

derStandard.at: In der Politik gibt es die Kritik, es gehe nichts weiter, der Koalitionszwang blockiere. Umfragen zeigen, dass der Ruf nach einem starken Führer immer lauter wird. Was sagen Sie dazu?

Habsburg-Lothringen: Starke Führer haben wir genug gehabt, die haben das Volk furchtbar geschwächt.

derStandard.at: Wie stehen Sie als Nachfahre einer Kaiserfamilie und Grüner Gemeinderat zur Basisdemokratie?

Habsburg-Lothringen: Es ist schwer. Ich find das ja ganz gut, aber... Rücksprache pflegen ist notwendig, selbst nur entscheiden und nicht zu hören, was das 'Volk' will, geht nicht. Wenn man es entsprechend aufbereitet, ist Politik auch etwas, das eine bildungspolitische Komponente hat. Es sollte ja doch so sein, dass die Besserqualifizierten in der Politik mehr reden können als jene, die nicht so gut qualifiziert sind. Das wär das Optimale. Wenn es umgekehrt wäre, weiß ich nicht, ob das für die Politik und die Demokratie gut wäre.

derStandard.at: Ist das dann noch repräsentativ? Derzeit sitzen ja auch 'normale' Arbeiter im Parlament, die ihre Bevölkerungsschicht vertreten. Eisenbahner beispielsweise.

Habsburg-Lothringen: Mir kommt es so vor, dass sehr viele Leute, die besser qualifiziert wären, mit der Politik nichts zu tun haben wollen. Die nehmen am politischen Wettkampf nicht teil. Das ist arg.

derStandard.at: Also wünschen Sie sich eine Politik der besten Köpfe statt ein repräsentatives Parlament – mehr Universitätsprofessoren statt Eisenbahner?

Habsburg-Lothringen: Der Generaldirektor von der Eisenbahn ist auch ein Eisenbahner. Der kann – wenn es um Infrastruktur geht – viel mehr wissen als der Universitätsprofessor. Ich finde, die besten Köpfe sollen mehr politische Verantwortung zeigen und ihr Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Die Eliten sollten sich mehr um die Politik kümmern.

derStandard.at: Das klingt so, ob Sie mit der Basisdemokratie hadern würden.

Habsburg-Lothringen: Es braucht lang, um zu einem Willenbildungsprozess zu kommen. Das ist in einer kurzlebigen Zeit oft problematisch.

derStandard.at: Was kann man dagegen tun?

Habsburg-Lothringen: Ich bin kein Politologe. Man muss sich abmühen damit. Entweder müssen die Beschlüsse schneller gefasst werden, was heute übers Internet möglich wäre. Aber ich kann nicht über alles abstimmen lassen, so wie über das Bundesheer oder in Kärnten über die Ortstafeln. Wozu haben wir gewählte Politiker, wenn die sich alles vom Volk bestätigen lassen müssen? In dem Fall brauchen wir die Politiker nicht, lassen Beamte E-Mails ausschicken und das Volk über alles abstimmen. Das ist dann Politik aus dem Bauch heraus. Und dann kommt der starke Führer.

derStandard.at: Zurück zu Ihrer politischen Tätigkeit: 2016 dürfen Sie für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren. Werden Sie antreten?

Habsburg-Lothringen: Ein gewisser Reiz ist auf jeden Fall vorhanden, es ist ein interessanter Job. Ich habe viel positive Resonanz aus der Bevölkerung vernommen. Viele sagen: Wenn du schon so weit gekommen bist, solltest du weiter gehen.

derStandard.at: In Ihrer Biographie bezeichnen Sie sich selbst als verhinderter Präsident.

Habsburg-Lothringen: Ja, ich bin verhindert worden. Mir wurde gesagt, ich müsste zuerst die Unterstützungserklärungen sammeln, um diesen Paragraphen überhaupt anfechten zu können. Mit dieser halben Lösung bin ich eigentlich ganz zufrieden. Auch die OSZE-Wahlbeobachtungskommission hat festgestellt, dass es ein großes Manko ist, dass ich nicht antreten darf. Seit Jänner stehe ich in intensivem E-Mail-Kontakt mit der OSZE. Österreich ist in diesem Bericht gleich hinter Aserbaidschan genannt worden. Haben wir das notwendig?

derStandard.at: Sie haben einen umstrittenen Anwalt für den Gang vor den Verfassungsgerichtshof engagiert – den Kärntner Slowenen Rudi Vouk, der die Kärntner Ortstafel-Causa vor den Verfassungsgerichtshof brachte.

Habsburg-Lothringen: Ich wollte für dieses Anliegen einen Anwalt, der halbwegs bekannt ist und nur durch seinen Namen schon für Unruhe sorgt. Das ist gelungen. Außerdem setze ich mich seit 1986 für die slowenische Minderheit in Kärnten ein. Ich wurde von etlichen Leuten, die mich unterstützen, gefragt: "Musst du dir unbedingt einen slowenischen Anwalt nehmen?" Damit hab ich etwas erreicht. Und seine Arbeit spricht für ihn. Eigentlich ist das Ganze ein kabarettreifes Stück.

derStandard.at: Wie stehen Sie zu dem kürzlich getroffenen Ortstafelkompromiss?

Habsburg-Lothringen: Ich finde es eigentlich ein Armutszeugnis, von 1920 bis heute ist die Sache nicht weitergekommen. Schon damals war ja genau das Gebiet festgelegt.

derStandard.at: Wie bewerten Sie die von der FPK geplante Volksbefragung?

Habsburg-Lothringen: Ich bin zufrieden, dass sie über ganz Kärnten gezogen wird und nicht nur die „betroffenen" Gebiete abstimmen dürfen. Aber es ist rausgeschmissenes Geld. Das sollten wir besser sinnvoll investieren, etwa in Ganztagskindergärten.

derStandard.at: Sie gelten als der "rote Habsburger", haben christlich-soziale Wurzeln und sind grüner (Ersatz-)Gemeinderat in Wolfsberg: Warum sind Sie bei den Grünen?

Habsburg-Lothringen: Grün bin ich natürlich, weil ich Forstwirtschaft studiert habe. Die Materie ist grün.

derStandard.at: Wo sehen Sie ihre politische Heimat?

Habsburg-Lothringen: Für die Heimat braucht es einen Tisch und ein Haus. Der Tisch sind die Grünen, dort kann ich diskutieren. Die Grünen haben mir auch das Forum geboten, mit meinem Namen relativ leicht hinauszukommen, der Kontrast ist bemerkenswert. Früher war die ÖVP eine christlich-soziale Partei, das Christlich-Soziale hat sie jetzt weggelassen. Diese soziale Komponente ist mir sehr wichtig. Das ist mein politisches Haus.

derStandard.at: Glauben Sie, dass die ÖVP ihre christlich-sozialen Wurzeln verloren hat?

Habsburg-Lothringen: Die SPÖ, die Sozialisten, und die ÖVP, die Christlich-Sozialen, haben ein Problem: Sie haben jeweils ein sehr gutes Dokument über gesellschaftliche Werte, die einen Karl Marx und die anderen die Bibel. Beide Parteien haben sie in einem Tresor versperrt und den Schlüssel verloren. (Marie-Theres Egyed, Benedikt Narodoslawsky, derStandard.at, 25.5.2011)