Die "Uni brennt" war gestern, heute wird von gewählt - neuerdings von Studierenden.

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Zur Jahrtausendwende gab es noch "Studenten" , aber paradoxerweise hat offensichtlich die schnelllebige Zeit eine metrische Verlangsamung hin zu den "Studierenden" bewirkt. Auch wenn die Welt jetzt nicht unbedingt schneller durchdacht werden kann, haben die Studierenden laut Ex-Finanzministers Pröll bereits mit 24 die finanzielle Selbstständigkeit zu erreichen und brauchen dabei ihr Studium nicht einmal beenden, wie das Beispiel eines Jusstudenten im Staatssekretariat beweist. Man sollte scheinbar nur kurz studierend sein, um nicht das einschlägige Image eines Studenten zu erwerben, dafür umso schneller im Erwerbsleben stehen zu können.

Die "Studierenden" umschiffen aber in einer moralischen Sprachökonomie auch noch das Binnen I und die ewige doppelte Anrede und reduzieren so vermeintlich geschlechtliche Determiniertheit. Es bräuchte angesichts dieses grammatischen Dilemmas vielleicht einmal eine grundsätzliche Artikelreform, wonach es auch "der Student" und "die Student" heißen könnte. Das Ausweichen ins "Studierende" bringt aber immerhin noch die semantische Erweiterung hin zur Sächlichkeit und Objektivität, denn "das Studierende" wäre fast schon eine abstrakte Denkfigur a la Hegel.

Während "das Studierende" beinahe erhaben wirkt, hat das "Studier-Ende" etwas von einer aktuellen, mehr als grammatischen Wahrheit und lässt der/dem (sic!) "Studierenden" eher Mitleid zukommen. "Lass den Buben, er ist studierend" klingt schon anders als "Lass ihn, er ist Student" , auch direkte Beschimpfungen wie das beliebte "Scheißstudent" verzerren sich metrisch zu "Scheißstudierende(r)" , vom "versoffenen Studierenden" ganz zu schweigen, aber heutzutage sind sowieso mehr die speedähnlichen Lerndrogen im Umlauf.

Besonders krümmt sich das harte T der "Studenten" natürlich angesichts einer "Studierendenrevolution" . Der Student als soziologisch tragendes Subjekt des gesellschaftlichen Fortschritts mutiert in der Logik der "Studierenden" zum "Fortschreitenden" und scheint so die Unerreichbarkeit des Ziels noch zu betonen, verdeutlicht scheint dies im vergleichbaren Beispiel, dass ein "Weltverbesserer" noch keinen "Weltverbesserndern" darstellt.

"Protestierende Studierende" haben sogar etwas von der Unverbindlichkeit der Protestanten, welche mit ihrem Protest gegen die Katholiken auch warten müssen, bis beim Jüngsten Gericht alle laufenden Verfahren über den Haufen geworfen werden.

Ruf nach der Feuerwehr

Ein Ventil finden die sprachlich ablesbaren Veränderungen offenbar in der neobürgerlichen Tugend der Wut, die den "Wutstudierenden" zwar das harte T zurückbringt, ansonsten aber sich ansonsten .

Sehr deutlich war diese semantische Tendenz an der Protestbewegung "Uni brennt" zu erkennen. Der Ruf nach der Feuerwehr hat weder einen Brand gelöscht hat, noch die Universität als Phönix aus der Asche aufsteigen lassen. Eher erinnerte die verbale Zündelei an die von linker und rechter Seite gepflogene romantische Tradition der Fackelzüge.

Ein gewisse Realitätshaltigkeit wurde der Metapher immerhin durch das genussvolle Tabakrauchen im Audimax zuteil, das immer wieder - wenn auch nur symbolisch - den Feueralarm auslöste. Das sollte hier betont werden, denn öffentliches Rauchen nähert sich heutzutage ja bereits dem Tatbestand des zivilen Ungehorsams, nähern und selbst Zentren tatsächlicher Revolutionen, wie der TahrirPlatz in Ägypten, mittlerweile über eine Nichtraucherzone verfügen.

Als Revolution war "Uni brennt" auch sicherlich bedeutsamer als jede ÖH Wahl, denn wer denkt schließlich noch an die ÖH Wahl rund um 1968? Aber die geschätzten 30 Prozent der ÖH Wahl sind immer noch mehr als sich in der zahlenmäßig eindrucksvollen "Uni brennt" -Bewegung der Anfangszeit beteiligten.

Absurde Strategie

Da erscheint es einerseits nachträglich absurd, dass sich die Österreichische Hochschülerschaft während der "Uni brennt" -Bewegung in basisdemokratischer Strategie selbst entmachtete. Andererseits wird die in der geringen Prozentzahl implizierte, ewig mahnende Forderung, die schweigende Mehrheit in einer Urabstimmung zur Abschaffung der Österreichischen Hochschülerschaft zu befragen, brennend.

Bei "Uni brennt" wurde ja sogar eine, die gesellschaftliche Mehrheit betreffende, Volksdemokratie gefordert, immerhin gemildert durch die Begeisterung über unterstützende Maßnahmen von Unternehmen wie Anker oder Vöslauer.

Wenn die Universität schon kein Geld hat, könnten übrigens besagte und vergleichbare Unternehmen ja vielleicht einmal einen sprachwissenschaftlichen Diskurs sponsern, im Sinne der "Studierenden" und deren, hoffentlich, auch grammatischer Neuformierung. Die Wählenden würden es ihnen sicher danken.  (Kommentar der anderen, Uwe Matuschka-Eisenstein, STANDARD-Printausgabe, 17.5.2011)