Kam mit seinen Stoffen zu früh: Fritz Hochwälder (1911-1986).

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Wien - Bruno Kreisky hätte dieses Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert, wie Max Frisch - und, am 28. Mai, Fritz Hochwälder. Während die Geburtstage des ehemaligen Kanzlers und des Schweizer Autors unter beträchtlichem medialen Rummel begangen wurden, ist es um den Dramatiker Fritz Hochwälder, der 1986 in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof zur letzten Ruhe gebettet wurde, bisher still geblieben.

Doch es gab Zeiten, in denen, wenn auf deutschsprachige Dramen die Rede kam, drei Namen fielen: Dürrenmatt, Frisch und Hochwälder. Schon Hochwälders erstes Stück Das heilige Experiment begeisterte (nicht nur) Frisch, der 1947 in einem Brief schrieb: "Ihr Stück hat mich von Anfang bis Ende in äußerster Spannung gehalten, es ist dramaturgisch von beneidenswerter Meisterschaft, und ich kann mir denken, dass es auf der Bühne von beklemmender Wirkung ist."

Das Stück, das sich mit der scheiternden Utopie des Jesuitenstaates in Paraguay im 18. Jahrhundert auseinandersetzt (das erste Mal versklavten europäische Emissäre die Bevölkerung nicht, sondern gestanden ihr verhältnismäßig viel Autonomie zu), wurde allein im Pariser Théâtre de l'Athénée in der Spielzeit 1952/53 mehr als 400-mal en suite aufgeführt. Ein Welterfolg, den Roland Joffe mit Mission (mit Robert De Niro, Jeremy Irons, Musik: Ennio Morricone) 1986 filmisch umsetzte und damit in Cannes die Goldene Palme gewann.

Sehr gepflegt, sehr lebhaft und sehr entschlossen sitzt Fritz Hochwälders Witwe Susanne im Café Griensteidl. Sie mache hier gerade etwas, sagt die 79-Jährige, was Hochwälder ihr bestimmt übelgenommen hätte, denn eines sei für ihren Mann immer klar gewesen: "Ich gehe nicht Klinken putzen, man spielt mich, oder man spielt mich nicht." Gerade deshalb habe sie sich entschlossen, einige Redaktionen anzuschreiben, um auf Hochwälders Werk hinzuweisen.

Fast ein halbes Jahrhundert lebt sie schon in Zürich, doch Wienerin ist Susanne Hochwälder geblieben. So wie ihr Mann, den die gelernte Werbetexterin in den 1950er-Jahren in der Schweiz kennengelernt hatte, zeitlebens ein Ur-Wiener in Herz und Sprache geblieben ist. Trotz allem. Denn 1938 flüchtete Hochwälder, der 1911 in eine jüdische Familie hineingeboren und wie sein Vater Tapezierer geworden war, in die Schweiz, wo er in einem Arbeitslager für Emigranten Das heilige Experiment schrieb. Seine Eltern, die er nicht zur Flucht hatte bewegen können, wurden 1942 deportiert und umgebracht.

Viel später, Hochwälder war mittlerweile ein berühmter Mann, wollte ihn sein Duzfreund Kreisky (die beiden hatten sich als junge Männer in der Sozialistischen Arbeiterpartei kennengelernt) nach Wien zurückholen. Nach hämischen Reaktionen der Journaille sah Hochwälder allerdings von einer Rückkehr in seine Geburtsstadt ab. Es war offenbar noch zu früh. Früh dran war der Autodidakt auch mit seinen Stoffen. In seinem spät entdeckten Stück Esther (1940) zeigt er auf, wie dringend totalitäre Systeme eines "inneren", den Staat "zersetzenden" Feindes bedürfen. In Der Flüchtling (1945) setzt er sich mit Opportunismus auseinander, und das in der Französischen Revolution angesiedelte Schauspiel Der öffentliche Ankläger (1948) seziert den Terror von Diktaturen.

Nach dem Drama Donadieu wurde Hochwälder noch politischer - und aktueller. Der Himbeerpflücker (1965, verfilmt u. a. mit Helmut Qualtinger) beschäftigt sich mit dem alten und neu aufkommenden Rechtsradikalismus in der österreichischen Provinz, und für einen Skandal sorgte Hochwälders Drama Der Befehl (1967). Ein Wiener Polizist bekommt nach dem Krieg die Weisung, einen SA-Mann zu suchen, der in Amsterdam 1942 ein Mädchen ermordete. Somit muss er gleichsam gegen sich selbst ermitteln. Sätze wie "Die österreichischen Geschworenengerichte verurteilten angeklagte Kriegsverbrecher zu einer Durchschnittsstrafe von drei Minuten pro Opfer" wurden aus der Fernsehbearbeitung geschnitten.

Sein und Bewusstsein

Nach einer längeren Absenz versuchte Hochwälder ein Comeback - 1975 mit Lazaretti oder Der Säbelzahntiger bei den Salzburger Festspielen. Danach wurde es ruhig um den Mann, der postulierte: "Ich bin ein Dramatiker. Nichts anderes." Das mag mit dem Gleichnishaften seiner Stücke zu tun haben, ihrem strengen Aufbau (Einheit von Ort, Handlung und Zeit) und auch mit dem sich ändernden Theaterbetrieb, in dem, so Hochwälder, "Regieunholde" Stücke verstümmeln und umstellen würden. Zudem hatte er in seinen Dramen vorweggenommen, was erst spät im gesellschaftlichen Bewusstsein eine Rolle spielen sollte (Bernhard und Jelinek nahmen die Themen später auf).

"Im Leben gibt es kein richtiges Zurück", sagte Fritz Hochwälder einmal. Seine Sätze sind angekommen - auch bei den Richtigen. (Stefan Gmünder/ DER STANDARD, Printausgabe, 26.5.2011)