Tel Aviv/Gaza - Nach vier Jahren Blockade soll sich für die Palästinenser im Gazastreifen erstmals wieder ein Tor zur Welt öffnen: Ägypten will den Übergang Rafah von Samstag an wieder voll in Betrieb nehmen. Israel reagierte am Donnerstag besorgt auf die Ankündigung. Heimatschutzminister Matan Vilnai sprach vom "ersten Schritt in Richtung einer neuen regionalen Ordnung, die für Israel sehr problematisch ist". Die radikalislamische Hamas begrüßte die geplante Öffnung als "richtige Entscheidung, die das Leben der Bevölkerung erleichtern und ihr Leid verringern wird". Ägypten habe die Hamas informiert, dass alle Frauen sowie Männer im Alter von unter 18 und über 40 Jahren die Grenze ohne vorherige Genehmigung passieren dürften. Inhaber ausländischer Pässe, Kranke, Studenten sowie Geschäftsleute bräuchten auch keine Visa oder Sicherheitsgenehmigungen.

Vilnai räumte im israelischen Rundfunk ein, dass Ägypten mit der Grenzöffnung nicht gegen Bestimmungen des Friedensvertrages von Camp David verstoße. Ägypten hatte 1979 unter Präsident Anwar Sadat einen Separatfrieden mit Israel geschlossen. Der neue Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elaraby, hat die Schließung von Rafah durch den früheren Staatschef Hosni Mubarak als "beschämend" für Ägypten bezeichnet.

Neue Ausrichtung der Außenpolitik

Ägypten, das seine Außenpolitik nach Mubaraks Entmachtung neu ausgerichtet hat, teilt eine 14 Kilometer lange Grenze mit dem Gazastreifen, den es zwischen 1949 und 1967 verwaltet hatte. Unter Mubarak, der im Februar nach Massenprotesten zurücktreten musste, hatte Ägypten eine von der eigenen Bevölkerung abgelehnte und als pro-israelisch empfundene Politik verfolgt und sich an der Blockade des Gazastreifens beteiligt. Bei der dreiwöchigen israelischen Gaza-Offensive zwischen Dezember 2008 und Jänner 2009 mit der Bezeichnung "Gegossenes Blei" waren mehr als 1400 Palästinenser getötet und über 5000 weitere verletzt worden.

Israel ist besorgt, die Grenzöffnung könnte den Transport von Waffen und Geld für die Hamas sowie andere militante Gruppierungen im Gazastreifen erheblich erleichtern. Diese wurden bisher über ein ausgedehntes Tunnelsystem im Grenzgebiet von Ägypten nach Gaza geschmuggelt. Militante Palästinenser beschießen das israelische Grenzgebiet vom Gazastreifen aus immer wieder mit Raketen und Mörsergranaten. Eine Öffnung der Grenze wird auch den politischen Druck, den Israel mit der Blockade auf die Hamas ausübt, verringern. Die Hamas war 1987 als palästinensischer Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft gegründet worden, die seit Mubaraks Sturz zusätzlich an Gewicht gewonnen hat. Ägypten vermittelte das jüngste Versöhnungsabkommen zwischen der Hamas und der Fatah von Präsident Mahmoud Abbas, das die Bildung einer gemeinsamen Regierung aus unabhängigen Fachleuten vorsieht.

Die geplante Öffnung des Rafah-Grenzübergangs ist mit den EU-Grenzbeobachtern nicht koordiniert worden. Ein Sprecher der EU-Grenzmission sagte am Donnerstag, man habe noch keine Aufforderung zur Rückkehr an die Grenze bekommen. Nach den ursprünglichen Bestimmungen des Rafah-Abkommens vom November 2005 sollten EU-Beamte den Übergang beobachten. Die eigentlichen Kontrollen nehmen ägyptische und palästinensische Grenzbeamte vor, Israel kann den Grenzverkehr über Videokamera verfolgen. Für die EU-Mission waren bis zu 70 Beamte vorgesehen. Die Mitarbeiter, deren Zahl auf 13 reduziert wurde, hält sich seit vier Jahren in der israelischen Stadt Ashkelon auf. "Es ist bekannt, dass die Bewegungsfreiheit der Palästinenser aus und nach Gaza eine der wichtigsten Prioritäten der Europäischen Union sind", sagte der Sprecher. (APA)