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Wissenschafter entdeckten einen Zusammenhang zwischen Desastern in der Vergangenheit und dem gesellschaftlichen Umgang mit Freiheit: Je mehr eine Nation mit Kriegen, Krankheiten, Naturkatastrophen, einer zu hohen Bevölkerungsdichte oder Ressourcenknappheit zu kämpfen hatte -, desto eher prägen strengere Regeln sowie soziale Normen das Miteinander.

Foto: REUTERS/Athar Hussain

Washington - Die Klischees kennen wir alle: Asiaten sind obrigkeitshörig und extrem auf Konformität bedacht, Skandinavier liberal und eigenbrötlerisch, Amerikaner individualistisch, aber hilfsbereit. Vieles von dem mag vereinfacht und verzerrt sein, einen wahren Kern gibt es dennoch. Oder?

Den Ergebnissen einer neuen multikulturellen Studie nach zu urteilen, ja. Ein internationales Forscherteam unter Leitung der US-Psychologin Michele Gelfand von der University of Maryland hat insgesamt 6823 Menschen aus 33 Nationen hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenheiten und Ansichten befragt. Die Wissenschafter hatten hierzu eine Liste von sechs Standards aufgestellt, die aufzeigen sollen, wie liberal, "locker" oder restriktiv, "eng", eine Gesellschaft ist.

Die Ergebnisse wurden zu einem Index zusammengefasst, jede Nation hat darin seine Benotung. Je höher, desto weniger soziale Freiheiten haben ihre Bürger. Das kulturelle Korsett bestimmt dann das Leben - oft bis in die privatesten Einzelheiten. Die höchste Zahl erreicht demnach Pakistan mit 12,3 Punkten. Österreich liegt mit 6,8 Punkten knapp über dem Mittelwert (6,5). Weitere Details wurden am Donnerstag im Fachblatt Science veröffentlicht.

In einem zweiten Schritt verglichen die Forscher diese Resultate mit der Geschichte der einzelnen Länder und machten dabei eine faszinierende Entdeckung. In den meisten Fällen gibt es offenbar einen Zusammenhang zwischen Restriktion einerseits und historischen sowie ökologischen Aspekten andererseits.

Kooperation und Kontrolle

Völker, die häufig mit Naturkatastrophen, Hungersnöten oder auch Kriegen konfrontiert waren, neigen stärker zur Freiheitsbeschränkung als solche, die weniger heimgesucht wurden. Ähnliches gilt für die Gesellschaften in traditionell dicht bevölkerten Gebieten. Die Erklärung für solche Muster liegt vermutlich in der Notwendigkeit zur engen Kooperation, meinen die Experten. Gemeinsam und straff geführt ließen sich die Probleme wohl am besten bewältigen, man war stark auf einander angewiesen. "Wenn es solche Abhängigkeiten gibt, dann ist es erforderlich, dass die Menschen die Regeln befolgen", erklärt Michele Gelfand. Konformität als Überlebensstrategie sozusagen. Soziale Kontrolle hält sie aufrecht. Aus ähnlichen Gründen tendieren solche Länder anscheinend auch eher zu autokratischen Regimen.

Michele Gelfand ist sich gleichwohl darüber im Klaren, dass die Studienergebnisse keinen kausalen Zusammenhang nachweisen. Zumindest in einigen Fällen dürften sich Restriktion und Probleme gegenseitig verstärken, meint die Wissenschafterin. Diktatoren und Kaiser zettelten bekanntlich immer wieder gerne Kriege an, ausbeutende Herrschaft führt zu Not.

"Es ist essenziell, zu verstehen, warum es kulturelle Unterschiede gibt", betont Gelfand. Vor allem in einer zunehmend globalisierten Welt. Eine Kultur ist nicht unbedingt besser als eine andere, sie ist meist einfach nur anders, angepasst an die ökologischen Bedingungen in ihrer Region und geprägt durch ihre Geschichte. Dem Außenstehenden aber werden die Unterschiede oft unverständlich bleiben oder ihn sogar abstoßen. "Und das heizt Konflikte an." (Kurt de SwaafDER STANDARD, Printausgabe, 27.05.2011)