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Zwischen 2500 und 6500 Dollar kostet die Leihmutterschaft in Indien. 

Foto: REUTERS/Arko Datta

Ob Nicole Kidman, Ricky Martin oder Sarah Jessica Parker – sie alle haben ein Kind über eine Leihmutter bekommen und suggerieren via Massenmedien, die alle Teile der Welt erreichen, dass diese Fortpflanzungsform mittlerweile das selbstverständlichste der Welt ist.

Die Gesetzeslagen  in den USA und Europa sprechen aber eine völlig unterschiedliche Sprache. Hinzu kommt, dass Debatten über ethische Probleme von Leihmutterschaft noch weitgehend ausstehen. In diesem Spannungsfeld von einerseits locker-lässiger Repräsentation von Leihmutterschaft, dem Verbot in vielen Ländern und der fehlenden politischen und ethischen Diskussion befinden sich KinderwunschpatientInnen derzeit. Nur allzu oft werden Leihmutter-Verbote deshalb umgangen.

Situation in den USA

In den USA ist die Gesetzeslage sehr unterschiedlich. Viele KinderwunschpatientInnen weichen nach Kalifornien aus, weil dort Leihmutterschaft besonders leicht zugänglich ist: Agenturen organisieren alles - vom ersten Kennenlernen der Leihmutter bis zur Geburt des Kindes. In der Geburtsurkunde werden gleich die Namen derer eingetragen, die die Eltern sein werden. Die Kosten dafür belaufen sich um die 80.000 Dollar und darüber hinaus.

Sind die Kinder Deutsche oder Inder?

Und auch andere Länder werden von zahlungskräftigen Pärchen zwecks Leihmutterschaft frequentiert. Die Gesetzeslage in Indien z.B. erlaubt das Geschäft mit der Leihmutterschaft, die Kosten sind aufgrund der vorherrschenden ökonomischen Verhältnisse deutlich niedriger als in den USA. Zwischen 2500 und 6500 Dollar kostet dort eine Leihmutter, ein "Dienst" der vor allem von Frauen aus den Armutsvierteln verrichtet wird. Abgesehen von diesem enormen sozialen Gefälle zwischen den Auftrag gebenden Eltern und den indischen Leihmüttern, kann es auch zu rechtlichen Schwierigkeiten kommen. So sorgte 2010 der Fall eines deutschen Paares für Aufsehen: Dank einer Eizellenspende und einer indischen Leihmutter (beides ist in Deutschland verboten) konnte sich das Paar über Zwillinge freuen, die in Indien geboren wurden. Von Seiten Indiens hieß es, die Deutschen seien die Eltern, deshalb auch die Kinder. Deutschland hingegen klassifizierte die Zwillinge als Inder, weil die Frau, die sie zur Welt brachte, Inderin ist. Schlussendlich wollten weder Deutschland noch Indien den Kindern einen Pass ausstellen. Erst im April dieses Jahres bestätigte ein  Verwaltungsgericht die Entscheidung der Deutschen Botschaft, den Kindern keinen deutschen Pass auszustellen. Die zwei Buben befinden sich seit ihrer Geburt mit dem Vater in Indien.

Gebärende ist die Mutter – DNA hin oder her

Auch in der Ukraine haben sich Agenturen auf ein internationales Klientel eingestellt. Eine Leihmutter kann in der Ukraine zwar auf das von ihr zur Welt gebrachte Kind verzichten, diese Regelung  gerät aber in Europa in eine Kollision mit den Herkunftsländern der Eltern. In Österreich gilt, dass die Frau, die das Kind geboren hat, die Mutter ist, auch wenn die DNA mit dem Paar übereinstimmt, das die Leihmutterschaft in Auftrag gegeben hat. Eine österreichische Staatsbürgerschaft gibt es daher für ein Kind von einer ukrainischen Leihmutter nicht, es müsste somit illegal nach Österreich gebracht werden.

In der Europäischen Union ist Leihmutterschaft – allerdings nicht für kommerzielle Zwecke – in Belgien, Großbritannien, Dänemark, Spanien und den Niederlanden erlaubt.

Eine mögliche Legalisierung ist in Österreich bis auf weiteres kein Thema, obwohl aktuelle hiesige Debatten von der Obsorge, der Frage der Kinderbetreuung, der Diskussion ums Stillen bis zum Recht auf Familien für Lesben und Schwule essentialistische oder eben nicht-essentialistische Vorstellungen von Elternschaft besonders intensiv zur Diskussion stellen. Und auch fortpflanzungsmedizinische Methoden sind in Österreich längst Usus. Es gibt 26 öffentliche und private Kinderwunschzentren und laut Ludwig Wildt vom Kinderwunschzentrum in Innsbruck werden in Österreich drei von hundert Baby nach einer künstlichen Befruchtung geboren. Auch Zentren in benachbarten Ländern wie Tschechien begrüßen aufgrund der in Österreich bestehenden Verbote von Eizellenspenden vor allem österreichische KundInnen. Die Bereitschaft, sich in Sachen Kinderwunsch im Ausland weiterhelfen zu lassen, besteht also auch in Österreich.

"Soziale Dimensionen müssen bedacht werden"

Kritik an der hiesigen Gesetzeslage in der Fortpflanzungsmedizin gibt es derzeit von den Grünen. Sie brachten Anfang Mai einen Entschließungsantrag zur Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes und des Adoptionsverbotes für Lesben und Schwule ein. Auf Leihmutterschaft wollten sie darin nicht eingehen. "Bei Fragen rund um den Kinderwunsch müssen auch die sozialen Dimensionen betrachtet werden", so Grünen-Familiensprecherin Daniela Musiol gegenüber dieStandard.at, die gemeinsam mit Jennifer Kickert, Grünen-Sprecherin für Lesben und Schwule, für den Antrag verantwortlich ist. Für sie liegt im aktuellen Fortpflanzungsmedizingesetz insofern Diskriminierung vor, als dass In-vitro Fertilisation derzeit nur mit Ei- und Samenzellen eines (Ehe-) Paares erlaubt ist. Heterosexuelle Paare können außerdem künstliche Befruchtung mit Spendersamen in der Gebärmutter durchführen. Eizellen In-vitro mit Spendersamen zu befruchten ist hingegen in Österreich ebenso verboten wie Eizellenspenden. Die Konsequenz: Homosexuelle oder auch Alleinstehende sind von diesen Fortpflanzungstechnologien ausgeschlossen.

"Es gibt noch viele Hürden, etwa bei der In-vitro-Fertilisation, die für Frauen derzeit einen Partner vorschreibt,  bei der Insemination für alleinstehende oder lesbische Frauen oder eben bei Adoptionen". Bevor hier keine Änderungen passieren, sieht Musiol keinen Diskussionsbedarf über Leihmutterschaft.  Außerdem hätten Erfahrungen aus Ländern, in denen Leihmutterschaft erlaubt ist, gezeigt, dass Frauen sich aus existenzsichernden Überlegungen für eine Leihmutterschaft zur Verfügung stellen, "da stellt sich die Frage, ob das freier Wille ist oder sozialer Zwang".  

"Kein Geschäft auf Kosten ärmerer Frauen"

Auch Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen, macht vor allem der soziale Aspekt Sorgen. "Ich sehe eine große Gefahr, dass dabei reich gegen arm ausgespielt werden könnte. So etwas darf auf keinen Fall ein Geschäft auf Kosten der ärmeren Frauen werden." Außerdem sei eine Schwangerschaft eine enorme körperliche Belastung, und schließlich entstünde auch eine soziale Bindung mit dem Ungeborenen, die auch gar nichts mit einer genetischen Verbindung zu tun habe. Wenn überhaupt, sollte Leihmutterschaft nur sehr eingeschränkt möglich sein, "aber das müsste sehr gut durchdiskutiert werden", so Schwentner.

Kein breiter Konsens

Keinen Anlass für eine Debatte sieht auch die ÖVP. Ridi Steibl, Nationalratsabgeordnete und Bereichssprecherin für Familie im Parlamentsklub der ÖVP dazu: "Bei der Beschlussfassung des Fortpflanzungsmedizingesetzes hat man sich ausdrücklich auf ein Verbot der Leihmutterschaft und die medizinisch unterstützte Fortpflanzung auf den Bereich der homologen Insemination (Anm.: die Insemination für verheiratete Paaren oder heterosexuelle Paare) eingeschränkt. Für mich gibt es derzeit keinen Grund, von diesem Standpunkt abzugehen". Auch ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger sieht diese Thematik in der ÖVP auf verlorenem Posten, dafür gäbe es keinen breiten Konsens in der Partei, und schließlich "muss nicht alles erlaubt sein", so Rasinger.  

Die großen Brocken

So einfach kann es sich die Bioethikkommission natürlich nicht machen. Die ethische Seite der Fortpflanzungsmedizin steht für die Kommission insbesondere seit 2010 auf der Agenda. Letzten Herbst wurde vom Bundeskanzler ein Papier mit Einschätzungen der Kommission zu fortpflanzungsmedizinischen Fragen in Auftrag gegeben, wobei hierbei Themen wie die "Insemination für lesbische Frauen und Alleinstehende, oder auch das Adoptionsrecht die größten Brocken sind", meint Doris Wolfslehner, Leiterin der Bioethikkommission. Die Kommission veranstaltet Mitte Juni die Konferenz "Fortpflanzungsmedizin Quo Vadis? Was will die Gesellschaft". Öffentliche Diskussionsprozesse, wie sie bei einer Konferenz wie dieser entstehen, sollen laut Wolfslehen in die Überlegungen über die ethischen Dimensionen der Fortpflanzungsmedizin einbezogen werden. Im Zuge dieser Arbeit der Kommission wird auch Leihmutterschaft Thema sein. Bevor das offizielle Dokument vorliegt, will sich die Leiterin der Bioethikkommission aber nicht näher dazu äußern. Eines kann sie aber mit hoher Wahrscheinlichkeit schon sagen: Das im kommenden Herbst oder Winter präsentierte Dokument der Kommission wird wahrscheinlich nicht einstimmig verabschiedet werden, die Diskussionen um Fortpflanzungsmedizin seien zu komplex und beinhalten zu viele Wertungswidersprüche.

Diese Wertungswidersprüche, die unterschiedlichen Gesetze der Länder inklusiver ihrer Doppelstandards für Heterosexuelle, Homosexuelle oder Alleinstehende und die zunehmenden sozialen Hierarchien weltweit werden Fortpflanzungsmedizinische Methoden wie Leihmutterschaft alles andere als bremsen. Mit oder ohne Diskussion darüber. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 29.5.2011)