Jahrzehnte sind vergangen, die "Kriegsgeneration" ist zum größten Teil schon ins Grab gesunken, Tonnen von wissenschaftlichen Dokumentationen über die NS-Verbrechen sind veröffentlicht worden (aber auch Tonnen von geschichtsfälschender Revisionsliteratur). Wer in Europa nur irgendwie an den Nationalsozialismus anstreift, ist in Minutenschnelle politisch erledigt (ganz besonders in Deutschland) - nur in Österreich leistet noch eine (gar nicht mehr so) kleine Partei Widerstand.

Die Realität dieser seit 1945 aus der Zertrümmerung des Nationalsozialismus entstandenen Republik ist in Wirklichkeit abenteuerlich: Eine 27-Prozent-Partei, die zweimal in der Regierung war, schafft es bis heute im Jahre 2011 nicht, sich geistig vom Nationalsozialismus freizuhalten.

Die Gründungsväter der FPÖ (bzw.der Vorläuferpartei VdU) waren in der Wolle gefärbte Nazis. Der Geist blieb bis heute erhalten.

Heinz-Christian Strache trieb als junger Mann Wehrsportspielchen mit amtsbekannten Neonazis. Er ist kein Nationalsozialist im engen Sinn, aber noch 2004 betrauerte er mit rechtsextremen Burschenschaftlern am Heldenplatz den Untergang des Dritten Reiches. Jetzt hätte er das wieder tun sollen - weil ihm seine rechtsextreme Basis seinen Israel-Besuch übelnahm(!), zuckte er aber im letzten Augenblick zurück.

Aber in diesem Zusammenhang ist nicht einmal das Führungspersonal so wichtig. Entscheidend ist, dass die Funktionäre der FPÖ in regelmäßigen Abständen mit NS-Nostalgien, NS-Verharmlosungen und anderen konkludenten Handlungen auffallen. Das jüngste Beispiel ist die Weigerung der Amstettner FPÖ, für die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Hitlers zu stimmen. Bei der Gelegenheit kam heraus, welches Geschichtsbild die FPÖ-Stadträtin Brigitte Kashofer hat: "Noch heute werden die Kriegsverlierer pausenlos zu einseitigem Schuldbekenntnis aufgefordert, während in Vergessenheit gerät, dass England den Krieg begonnen hat."

Das ist im Grunde ein Fall für das Verbotsgesetz. Und solche wie Frau Kashofer gibt es in der FPÖ Tausende, wenn nicht Zehntausende in Österreich. Mittlere Funktionäre mittleren Alters, die immer wieder einschlägig auffällig werden. Die Zeitungsarchive sind voll davon.

Die heutige FPÖ ist eine Partei der Protestwähler (meist aus der Unterschicht) mit einem Kern von Honoratioren-Funktionären, die den Nationalsozialismus ganz gut finden. Sie wissen um die monströsen Verbrechen, aber sie wollen es letztlich nicht wahrhaben. Auch die jüngeren nicht. Sie sind unbelehrbar.

Die fundamentale Krise der österreichischen Demokratie ist, dass diese FPÖ immer wieder zu beachtlicher Stärke anwächst. Ihre Wähler wissen nichts vom NS-Hintergrund, bzw. wollen nichts davon wissen. Und immer noch schließen namhafte Politiker von SPÖ und ÖVP eine Koalition mit dieser FPÖ nicht absolut aus - obwohl das immer dramatisch schiefgegangen ist. Auch sie - die "Protestwähler" und die Koalitionsspieler - sind unbelehrbar. (Hans Rauscher, DER STANDARD; Printausgabe, 27./28.5.2011)