Grafik: STANDARD
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Wien - "Wie ist das bei Ihnen persönlich, ich meine: in Ihrem eigenen Leben? Werden Sie alles in allem gerecht behandelt, oder ist das eher nicht der Fall?" Diese Frage ließ der Standard in der Vorwoche 400 repräsentativ ausgewählten Österreicherinnen und Österreichern stellen. 83 Prozent der Frauen und 80 Prozent der Männer sagten, dass sie persönlich Gerechtigkeit erfahren würden. 16 Prozent allerdings sagen, dies wäre nicht der Fall (die jeweils verbleibenden Prozente äußerten sich zu dieser Frage nicht).

Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, steigt mit dem Alter deutlich an: Nur jeder 14. Befragte unter 30 klagt über ungerechte Behandlung, bei den über 50-Jährigen ist es dagegen jeder Fünfte.

Höhere Bildung korreliert dagegen mit einem Gefühl, gerecht behandelt zu werden: "In bildungsfernen Schichten ist das Gefühl stark verbreitet, dass man persönliches Unrecht erfährt - von den Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, glaubt beinahe jeder Vierte, dass er oder sie ungerecht behandelt würde. Ab dem Maturaniveau glaubt das nur jeder Neunte", sagt Market-Chef Werner Beutelmeyer. Auch wer berufstätig ist, fühlt sich gerechter behandelt als die anderen.

Auffallend ist auch das politische Muster der Antworten: Die SPÖ ist die Partei der Unzufriedenen, jeder Vierte ihrer Wähler fühlt sich ungerecht behandelt, bei den Freiheitlichen ist es jeder Fünfte. Überdurchschnittlich hoch ist die Zufriedenheit der Wähler von Grünen und ÖVP.

Das gilt auch bei der Beantwortung der allgemeiner gehaltenen Frage, ob es in unserem Land alles in allem gerecht zugehe. Diese Frage wird von 46 Prozent bejaht und von 50 Prozent verneint. Es sind besonders die Wähler von FPÖ und SPÖ, die die Zustände insgesamt für ungerecht halten - Wähler von Grünen und ÖVP attestieren dem System dagegen immanenten Gerechtigkeitssinn.

Nun kann man das System in verschiedene Teilbereiche unterteilen. Das Linzer Institut Market, das die Umfrage für den Standard durchgeführt hat, wählte dazu zwei unterschiedliche Ansätze: Zum einen wurden verschiedene Lebensbereiche abgefragt - wie gerecht geht es wohl am Arbeitsplatz, in der Politik, beim Militär zu? Das Ergebnis ist in der oberen Grafik links dargestellt.

Und andererseits wurde gefragt, ob ausgewählte Bevölkerungsgruppen gerecht behandelt werden. Die Bewertung erfolgte nach dem Schulnotensystem - eins für "sehr gut" gerecht, fünf für "nicht genügend". Das heißt, dass eine niedrige Note besser ist.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Frauen werden mit der Durchschnittsnote 3,04 eingeschätzt, Frauen selber vergeben für die gerechte Behandlung von Frauen überhaupt nur 3, 13. Nur fünf Prozent meinen, Frauen würden "sehr gerecht" behandelt, ein "Nicht genügend" vergeben neun Prozent.
  • Männer erfahren nach dieser Umfrage mehr Gerechtigkeit: Die Durchschnittsnote liegt bei 2,48. Ein "Sehr gut" gibt es von acht Prozent der Befragten.
  • Alte Menschen und junge Menschen bilden das nächste Gegensatzpaar. Für die Behandlung beider Gruppen gibt es jeweils nur von drei Prozent die Note eins. Ein "Ganz ungerecht" wird in Bezug auf die Senioren von 13 Prozent vergeben - besonders aus der mittleren Altersgruppe, die das Altwerden fürchtet. Durchschnittsbewertung: 2,85 für die Behandlung der Jungen, 3,29 für die Behandlung der älteren Generation.
  • Alleinerzieher gelten als die am stärksten benachteiligte Gruppe, Durchschnittsnote 3,30. Besonders FPÖ- und Grün-Wählern stößt das sauer auf.
  • Konsumenten werden dieser Umfrage zufolge auch sehr ungerecht behandelt - Note 3,12.
  • Arbeiter stehen mit der Note 3,09 deutlich schlechter da als Angestellte mit 2,62. Wer im Beruf viel leistet, kommt auf die Gerechtigkeitsnote 2,88 - allerdings sehen nur fünf Prozent hohe Leistung "sehr gerecht" behandelt.
  • Flüchtlinge bekommen einen glatten Dreier, etwas weniger als allgemein Ausländer mit 2,80. Bei beiden regt sich vor allem das Unrechtsbewusstsein der Grünen.
  • Lehrer und Beamte sind nach Einschätzung der 400 Befragten die am gerechtesten behandelten Gruppen in Österreich: 2,40 für die Lehrer und 2,31 für die Beamten. 24 Prozent geben der Behandlung von Beamten ein "Sehr gut".

Und wer setzt sich dafür ein, dass es in Österreich gerechter zugeht? "Nachdem die Politik so viel von Gerechtigkeit spricht, würde man vermuten, dass den Parteien da gute Noten gegeben werden. Aber das ist nicht der Fall", sagt Market-Chef Beutelmeyer.

Ganz oben auf der Liste der Gerechten steht der Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit 2,14, gefolgt von AK, Caritas und Wirtschaftskammer. Die Gewerkschaft (gut bewertet vor allem von SPÖ-Wählern) kassiert deutlich schlechtere Noten als die Kammern, die Kirche deutlich schlechtere als die Caritas. Mit der Durchschnittsnote 3,26 ist die SPÖ knapp vor den Grünen (3,27) die als am gerechtesten empfundene Partei. Das BZÖ-Engagement wird kaum wahrgenommen. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.5.2011)