Salzburg - Es gibt Günstigeres für ein Literaturfest, als dass während der Hauptveranstaltung das Champions-League-Finale stattfindet. "Wir schwänzen heute alle Messi", sprach also Wolf Wondratschek am Samstagabend im Republic, bevor er einige Gedichte las und über sein angeborenes Vertrauen zur Tabakpflanze redete, um dann zu seinem neuen Roman überzuleiten. Das Geschenk handelt von einem Kind, seinem Vater, dem Macho Chuck (den wir aus den Gedichten Wondratscheks kennen), den Vorzügen einer guten linken Geraden, aber auch vom Handgemenge mit der Realität und mit sich selbst. Ein starker Auftakt, denn es gibt nicht viele, die ihre Texte so gut lesen wie dieser Autor.

Anschließend flankte Wondratschek in den Strafraum zu Max Goldt, der in seiner unnachahmlich lakonischen und präzisen Art Texte über die neue deutsche Dunkelheit (das Verschwinden der 100-Watt-Birne!), Lichtgeiz, Geschwätzigkeit und die totale Infantilisierung der Gesellschaft vortrug.

Das Republic war an diesem Abend besser gefüllt, als man hätte befürchten können. Und es war gerade dieser Abend, der die Stärken des Literaturfestes Salzburg, das heuer zum vierten Mal stattfand, zeigte. Dass Wondratschek und Goldt literarische Wahlverwandte wären, ließe sich nämlich nicht unbedingt behaupten, doch gerade diese Mischung scheint den Organisatoren - der Germanistin Christa Gürtler, dem Buchhändler Klaus Seufer-Wasserthal und Verleger Jochen Jung - wichtig. Es ist ein breiter Ausschnitt deutschsprachiger Literatur, den man an verschiedenen Veranstaltungsorten zu hören bekommt. So kann es hier passieren, dass Susanne Scholl ihren ersten Krimi, er heißt Giftige Kleider, beim Dirndldesigner vorstellt.

In der Großen Universitätsaula lasen zur Eröffnung am Mittwochabend der Poetry-Slammer Bas Böttcher, die 1930 geborene Schweizerin Erica Pedretti, Doris Knecht, die statt der erkrankten Elke Heidenreich anreiste, und Antonio Fian. Am Donnerstag diskutierten u. a. Sigrid Löffler und der Biograf Malte Herwig (Meister der Dämmerung) über Peter Handke, während der Freitagabend mit Zsuzsanna Gahse und der Buchpreisträgerin Melinda Nadj Abonji zwei ursprünglich ungarischsprachigen Autorinnen, die in der Schweiz leben und auf Deutsch schreiben, gewidmet war.

Gelesen wird bei diesem viertägigen Literaturfest, das sich ebenso an junge Zuhörer richtet, auch tagsüber. Wobei heuer bei den Nachmittagsveranstaltungen viele Debüts vorgestellt wurden, etwa jene von Dorothee Elmiger (Einladung an die Waghalsigen) oder Lorenz Christian Müller (Wilde Jagd). Geschichten brauchen ihren Ort, heißt es in Wondratscheks Geschenk - und sie brauchen ein dazugehöriges Leben. Eine Verbindung, die bei diesem Literaturfest gut funktionierte. (Stefan Gmünder, DER STANDARD/Printausgabe 30.5.2011)