Lissabon - Bei den portugiesischen Parlamentswahlen am Sonntag dürfte es zu einem Kopf-an-Kopf Rennen zwischen den regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Jose Socrates (PS) und den Konservativen von Oppositionsführer Pedro Passos Coelho (PSD) kommen. Laut einer aktuellen Wahlumfrage der portugiesischen Zeitung "Expresso", könnten die bürgerlich konservativ orientierten Sozialdemokraten (PSD) auf 33,7 Prozent der Stimmen kommen, während die sozialdemokratische Sozialistische Partei (PS) nur knapp danach mit 32,4 Prozent in der Gunst der Wähler folgt.

Damit scheinen sich die Vermutungen zahlreicher Experten nicht zu bewahrheiten, die davon ausgingen, dass die Regierung von Socrates wegen der hohen Verschuldung des Landes und der unpopulären Sparpläne an den Urnen abgestraft werden wird. Die vorgezogenen Neuwahlen wurden erforderlich, nachdem die konservativen Oppositionsparteien im März ein neues Sparpaket der sozialistischen Minderheitsregierung ablehnten und Ministerpräsident Socrates daraufhin zurücktrat.

Sollte sich die "Expresso"-Wahlumfrage am kommenden Sonntag bewahrheiten, kann also keine der beiden Parteien mit der absoluten Mehrheit im Parlament in Lissabon rechnen. In diesem Fall könnte Oppositionsführer Passos Coelho bei einem knappen Sieg eine Koalition mit der konservativen-rechtspopulistischen Volkspartei (CDS) von Paulo Portas eingehen, die mit 13,2 Prozent als drittstärkste Partei aus den Wahlen hervorgehen dürfte. Für Socrates' Sozialisten stellt sich das Panorama möglicher Regierungskoalitionen komplizierter dar.

Sowohl die Demokratische Einheitspartei (CDU), ein Parteienbündnis aus Kommunisten, Grünen und anderen Linksparteien, die 7,8 Prozent der Stimmen erhalten könnte, als auch der Linksblock (BE), der von 6,4 Prozent der Stimmberechtigten gewählt werden dürfte, favorisieren eine Umschuldung Portugals gegenüber den im EU-Rettungspaket festgesetzten Sparmaßnahmen.

Erst vor wenigen Wochen hatte die Europäische Union (EU) ein 78 Milliarden Euro schweres Rettungspaket geschnürt, um das hoch verschuldete Euro-Land vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren. Dafür musste sich die Regierung in Lissabon verpflichten, die Neuverschuldung rasch abzubauen und seine Wirtschaft grundlegend zu reformieren. Das Reformprogramm, an das die Rettungsgelder von EU und auch die des Internationalen Währungsfonds (IWF) geknüpft sind, verlangt von Portugal noch stärkere Sparmaßnahmen als jene, mit denen Socrates im März scheiterte.

So sollen Steuervergünstigungen gestrichen, Pensionen gekürzt und die Beamtengehälter eingefroren werden. Obwohl die konservativen Oppositionsparteien nicht einmal den Sparmaßnahmen von Socrates zugestimmt hatten, was erst die vorgezogenen Neuwahlen erforderlich machte, sicherten Sozialdemokraten wie die Volkspartei Brüssel zu, die Sparauflagen des Hilfspakets bei einem Wahlsieg zu akzeptieren.

Zahlreiche portugiesische Finanzexperten befürchten jedoch, dass eine Regierungskoalition, egal ob sie rechts und links sein wird, die notwendige Umsetzung des Sparprogramms verlangsamen dürfte. Die möglichen linken Koalitionspartner der Sozialisten fordern weniger Einsparungen und eine sozialere Wirtschaftspolitik. Auch die rechten Parteien sind sich uneinig, wie der unflexible Arbeitsmarkt und das kostspielige Gesundheitssystem reformiert werden können oder die Sozialversicherungsbeiträge gekürzt werden sollen.

Die sich zuspitzende Wirtschaftskrise in Portugal dürfte aber dazu führen, dass alle Parteien auf eine schnelle Lösung von Meinungsverschiedenheiten aus sind, erklärte hingegen der bekannte portugiesische Soziologe Pedro Magalhaes in einem Interview mit der Zeitung "Diario de Noticias".

Auch die EU und der IWF forderten alle Parteien auf, nach den Parlamentswahlen die Sparmaßnahmen möglichst schnell umzusetzen, um die Schulden abbauen zu können und das Wirtschaftswachstum anzutreiben. Unterdessen erklärte Portugals sozialistischer Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos, der Sparplan werde dazu führen, dass Portugals Wirtschaft 2011 erst einmal um zwei Prozent schrumpfen werde. (APA)