Anreise: zum Beispiel mit dem Auto nach Deutschland, dann mit den Fähren von Scandlines vom norddeutschen Rostock oder Saßnitz nach Trelleborg mit Pkw pro Strecke ab 95 € oder mit Finnlines von Travemünde nach Malmö ab 50 €. Flüge nach Schweden zum Beispiel mit der Austrian.

Weitere Infos: www.smaland.com bzw. Visit Sweden, Michaelis- str. 22 in D-20459 Hamburg, Tel.: 0049/40/32551310; auch für den österreichischen Markt zuständig, in Österreich gibt es keine eigene Vertretung.

Foto: Astrid Lindgrens Värld

Infos: "Astrid Lindgrens Näs" mit Elternhaus, Garten und Museum (Prästgårdsgatan 24 in Vimmerby, Tel.: 0046/492/769400;) ist ganzjährig geöffnet, wobei die Zeiten stark variieren - normal Mittwoch bis Sonntag 11 bis 15, im Sommer täglich mindestens 10 bis 16 Uhr, Eintritt 70 Kronen (7,60 €).

Mehrmals täglich finden Führungen durchs Elternhaus statt, die stark nachgefragt sind, sodass Voranmeldung ratsam ist. Diese mehrsprachigen Führungen (auch auf Deutsch) kosten 95 Kronen (10,30 €) pro Person. Ein Raum im Erdgeschoß bleibt ebenso tabu wie das Obergeschoß, da von der Familie benutzt.

Foto: Astrid Lindgrens Värld

Die Gesamtauflage aller Bücher von Astrid Lindgren (14. November 1907 bis 28. Januar 2002) beträgt 145 Millionen Exemplare, davon allein etwa 20 Millionen auf Deutsch. Viele ihrer Geschichten wurden verfilmt, darunter besonders erfolgreich mit Kino- und Fernseh-Fassungen Pippi Langstrumpf. Den Namen der Heldin hatte sich Astrid Lindgrens Tochter ausgedacht - und die Mutter beschloss ursprünglich nur für den Hausgebrauch als Geschenk an ihre Tochter Geschichten um Leben und Alltag jener Pippi ranken zu lassen. Als sie die Episoden schrieb, war deren Veröffentlichung nicht geplant.

Foto: Astrid Lindgrens Värld

Sie sind alt und dick geworden über all die Jahre, haben immer mehr Runzeln bekommen. Und mancher ist nicht einmal mehr mit ausgebreiteten Armen zu umfassen. Sie haben viel erlebt, Stürmen standgehalten, Generationen erwachsen werden sehen. Es sind die Bäume, in denen sie als Kind herumkletterte, auf deren Astgabeln sie saß und spielte.

Es sind die Kastanien und Ulmen, um die herum sie damals am eigenen Leib kleine Episoden aus dem Leben von Pippi Langstrumpf vorwegnahm, lange bevor sie das rothaarige Mädchen mit den Zöpfen erfunden hat. Es sind die Bäume im Garten von Astrid Lindgren auf Näs mitten in Småland. In dem roten Holzhaus, das sich hier unter die großen Bäume am Ortsrand von Vimmerby duckt, ist die schwedische Kinderbuchautorin am 14. November 1907 zur Welt gekommen. Hier ist sie auf dem kirchlichen Gut aufgewachsen, das ihr Vater als Pächter betrieb. Dieser Garten war ihre Spielwiese, er war die Bühne ihrer unbeschwerten Kindheit: "Wir kletterten auf die höchsten Bäume, und wir balancierten auf dem Dachfirst unseres Hauses", erzählte sie später: "Es war schön, dort Kind zu sein, und schön, Kind von Samuel August und Hanna Ericsson zu sein. Zweierlei hatten wir dort, das unsere Kindheit zu dem gemacht hat, was sie gewesen ist - Geborgenheit und Freiheit."

Der Garten, der für Astrid Lindgren und ihr späteres Werk eine so große Rolle gespielt hat, ist erheblich kleiner geworden seitdem. Nach Auflösung des Gutes und Verkauf von Parzellen als Bauland sind Teile davon in den 1960er-Jahren von Wohnblock-Neubauten niedergerungen worden. Näs hat sein Gesicht verändert, liegt nicht mehr außerhalb, sondern ist Ortsteil der 7800-Einwohner-Stadt Vimmerby geworden.

Das rote Holzhaus aber blieb unangetastet - mit dem Balancier-Dachfirst, mit den Blumenbeeten auf der Vorderseite, den Rabatten neben der weißen Verandatreppe, den Bäumen, in denen die kleine Astrid mit ihren Geschwistern Gunnar, Stina und Ingegerd herumgestiegen war. Sie waren in diesem Garten, was später zwischen Buchdeckeln und im Film Pippi, Annika und Tommy sein sollten - Kinder, deren Wertesystem stimmte und die fast alle Freiheiten der Welt hatten, das Leben ganz nach ihren eigenen Vorstellungen zu führen.

Eine alte Ulme auf Näs wurde von den Ericsson-Kindern "der Eulenbaum" genannt, weil er hohl war. Sie liebten es, sich darin zu verstecken - wie ein gutes halbes Jahrhundert später Pippi Langstrumpf, die vor ihrer Villa Kunterbunt einen ebenfalls hohlen "Limonadenbaum" stehen hatte, in dessen aufgeplatzten Stamm sie von oben hineinkletterte und durch deren Astlöcher sie anderen Kindern Getränke herausreichen konnte. Der Baum auf Näs steht noch immer, ist ein bisschen runzeliger und verwachsener als die anderen.

Mit 18 zog Astrid mit der Familie aus dem roten Holzhaus aus - näher an die Straße, in das nur fünfzehn Schritte entfernte größere hellgelbe Holzhaus. Es hat eine große Veranda - so üppig dimensioniert, dass man dort ein Pferd festmachen und unterstellen konnte: wie später in Pippis Villa Kunterbunt. Heute flattern dort Handtücher auf einer Wäscheleine im Wind, direkt nebenan steht eine Regentonne, auf dem Rasen liegt Kinderspielzeug verstreut, und ein paar Meter entfernt ist ein Schaukelgestell aufgebaut. Es gibt also wieder Kinder auf Näs.

1926 ging Astrid Lindgren nach Stockholm, wo sie für fast ein Dreivierteljahrhundert bleiben sollte. Die Sommer aber verbrachte sie auf der Schäreninsel Furusund - und auf Näs. Denn als das Gut 1965 aufgelöst wurde, hat sie das rote Holzhaus gekauft, alles in den Urzustand der eigenen Erinnerung zurückversetzt, nach fehlenden Möbelstücken auf Flohmärkten gesucht und bis zu ihrem Tod im Januar 2002 immer wieder Ferien dort im Elternhaus verbracht.

Geschlafen hat sie im Bett ihres Vaters, das wieder an derselben Stelle steht wie zu seinen Lebzeiten - und das das Bett ist, in dem sie selber 1907 zur Welt gekommen war. Sie hat Unkraut hinterm Haus gejätet, die Rosen geschnitten, Äpfel geerntet. Und sie ist wieder in den Bäumen herumgeklettert - im Alter von 67 Jahren sogar vor Fernsehkameras gemeinsam mit ihrer Freundin Elsa Olenius, die an dem Tag ihren 80.Geburtstag feierte. Schließlich gebe es, kommentierte Astrid Lindgren wörtlich, "kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern".

Der Garten als Quelle der Inspiration? Bäume, die ein kleines Mädchen geprägt haben könnten, das einmal Schriftstellerin werden sollte und Geschichten von Freiheit, sogar von gewisser Anarchie erzählen würde? Es sieht ganz so aus.

Diesen Vormittag riecht es im Garten der berühmten Kinderbuchautorin nach frisch gemähtem Gras - und nach Waffeln, die irgendwo in der Nachbarschaft gerade jemand backt. Im Schloss der Holztür dreht sich der Schlüssel von Charlotta Lindkvist, die im benachbarten Astrid-Lindgren-Museum arbeitet und ein paarmal am Tag Führungen durchs Geburtshaus anbietet: "Wissen Sie", sagt sie, ",Pippi Langstrumpf' ist erst Astrid Lindgrens zweite Buchveröffentlichung. Da liegt es auf der Hand, wie sehr sie sich bei ihren eigenen Kindheitserinnerungen bedient hat - und dass Näs sich sehr stark darin widerspiegelt." Über siebzig weitere sollten noch folgen. Bis ins hohe Alter schrieb Lindgren weiter Kinderbücher, die weltweit in fast 90 Sprachen übersetzt wurden.

Durch die Fenster mit den weißen Holzkreuzen scheint derweil die Sonne hinein, während der Wind Zweige vor den Scheiben bewegt, als wollte er die Schatten auf der Schlafzimmerwand tanzen sehen. Als Kind spielte Astrid mit ihren Geschwistern dort wie später Pippi in ihrer Villa Kunterbunt "Nicht-den-Boden-Berühren". Sie beschrieb das so: "Von der Arbeitszimmertür hangelte man sich zur Küchentür, sprang auf die Spiegelkommode, von der Spiegelkommode auf den Schreibtisch, auf Papas Bett, zu einem mit Stoff bezogenen Sitzkissen, mit dem man bis zur Tür des Wohnzimmers rutschte, zum Kamin und wieder zur Arbeitszimmertür."

Während Wohn- und Schlafzimmer, Flur und Küche Fremden auf Führungen gezeigt werden, bleibt ein Raum im Erdgeschoß ebenso tabu wie das Obergeschoß: Dort schlafen Astrid Lindgrens Enkel, Urenkel, Großnichten und -neffen, wenn sie im Sommer auf Näs zu Besuch sind - und wenn im nahen hellgelben Holzhaus der Platz wieder mal nicht für die ganze große Familie ausreicht. Es ist dann, als ob der Garten erwacht. Denn wieder turnen Kinder über den Rasen, spielen ausgelassen auf der Veranda, klettern in den Bäumen. Astrid Lindgren wird es sich nicht anders gewünscht haben. Als alte Frau hat sie selber wieder im Gras vor diesen Bäumen gesessen, sich mit dem Rücken an die Stämme gelehnt, die Augen geschlossen und an damals gedacht. (Helge Sobik/DER STANDARD/Printausgabe/28.05.2011)