London/Graz- Seit etwas mehr als einem Jahrzehnt haben Biotech-Medikamente - monoklonale Antikörper - die Behandlung der chronischen Polyarthritis (cP, "Gelenksrheuma" oder rheumatoide Arthritis - RA) revolutioniert. "Aber trotzdem bringen wir derzeit erst 60 Prozent der Patienten unter die gewünschte Kontrolle der Erkrankung. Wir brauchen noch bessere Medikamente", sagte beim Europäischen Rheumakongress (EULAR) in London der Grazer Experte Wilfried Graninger. Nach den Biotech-Arzneimitteln könnten jetzt zusätzlich synthetische, kleine Moleküle mit ähnlich guter Wirkung wie die Antikörper kommen.

Im Grunde ist die Entwicklung in der Rheumatologie ähnlich jener in der Onkologie: Die Identifizierung krankheitsspezifischer biologischer Ziele an bösartigen Zellen erlaubte dort die Entwicklung von gezielt auf Oberflächenmerkmale der Tumorzellen einwirkenden Biotech-Molekülen. Mit monoklonalen Antikörpern zur Hemmung von entzündungsfördernden Immunbotenstoffen (TNF-alpha) bzw. von deren Rezeptoren im Rahmen von chronischer Polyarthritis erfolgte das ab Ende der 1990er Jahre auch in der Rheumatologie. Doch Biotech-Medikamente sind ausgesprochen kompliziert in der Herstellung und haben einen hohen Preis, auch wenn manche von ihnen via Biosimilars nach Patentablauf in Zukunft deutlich billiger werden sollten.

Kleine, synthetische Moleküle

Jetzt aber stehen auch in der Forschung nach neuen Medikamenten für die Behandlung von Gelenksrheuma kleine, synthetische Moleküle zum Schlucken in Entwicklung, welche nicht außerhalb von Zellen ansetzen und per Infusion oder Injektion verabreicht werden müssen. Es sind - wiederum ähnlich der Krebstherapie - vor allem Enzym-Blocker ("Kinase-Hemmer"), die in Tablettenform eingenommen werden können, einfacher herstellbar sind und innerhalb von Zellen wirken und dort die Weiterleitung von Entzündungssignalen.

Graninger: "Diese Kinase-Hemmer kommen in einem großen Schwung. Bisher hat sich die Blockade solcher Signalmuster als nicht ungefährlich heraus gestellt, weil solche Enzyme ja in allen Zellen vorhanden sind. Aber mit einem neuen Janus-Kinase-Hemmer zeigte sich laut einer hier beim EULAR-Kongress vorgestellten Studie ein ähnlicher Effekt wie mit den TNF-alpha-Blockern. Die Substanz war Placebo eindeutig überlegen." Allerdings müsse man auch einrechnen, dass viele Patienten - im Gegensatz zur Verabreichung eines Arzneimittels per Infusion etc. - Tabletten nicht ausreichend regelmäßig einnehmen. Das reduziert die Wirksamkeit oraler Therapien. Und dann habe man mit den monoklonalen Antikörpern gegen den Tumonekrosefaktor-alpha bei Gelenksrheuma eine Erfahrung bezüglich ihrer Sicherheit von mittlerweile schon rund 15 Jahren.

60 Prozent der Patienten zeigten Verbesserung

Beim Europäischen Rheumatologenkongress (EULAR) in London gab es jedenfalls die Daten der ersten großen Wirksamkeitsstudie mit dem Janus-Kinase-Hemmstoff Tofacitinib. "Wir wissen, dass die Janus-Kinase eine fundamentale Rolle in den Signalwegen spielt, welche die rheumatoide Arthritis regulieren. Unterbricht man die dabei vorhandenen unkontrolliert ablaufenden Entzündungskaskaden, hat man einen neuen Weg, um die Krankheit zu beeinflussen", sagte der US-Experte Joel Kremer vom Albany Medical College.

Insgesamt hatte man 792 Polyarthritis-Patienten, die mit den herkömmlichen oralen Rheumamedikamenten (z.B. Methotrexat, Leflunomide etc.) nicht ausreichend gut therapiert waren, zweimal täglich mit dem Kinase-Hemmstoff (je zehn Milligramm oder je fünf Milligramm) oder einem Placebo behandelt. Die Ergebnisse:

  •  Nach sechs Monaten zeigten 58,3 Prozent der Patienten zumindest eine 20-prozentige Verbesserung der Symptome (Placebo: 31,2 Prozent).
  •  Nach einem Jahr hatte sich unter der echten Behandlung der Zustand von 36,6 Prozent der Patienten um zumindest 50 Prozent verbessert, bei 16,2 Prozent um mindestens 70 Prozent.
  •  Die Nebenwirkungen waren in den meisten Fällen mild und zeigten keine sicherheitsrelevanten Vorfälle.

Der US-Experte Vibeke Strand (Stanford University/Kalifornien): "Das ist die erste einer ganzen Reihe solcher Substanzen. Sie wirken schnell und ähnlich gut wie die Anti-TNF-Medikamente (monoklonale Antikörper gegen Tumornekrosefaktor alpha, Anm.). (APA)