Graz - "Im lauwarmen Bereich" sieht die Grüne Bürgermeister-Stellvertreterin Lisa Rücker am Montag im APA-Gespräch die schwarz-grüne Koalition in Graz nach zwei Dritteln der Periode. Die Verlässlichkeit des Partners habe zuletzt gelitten. Ein Machtwort des Chefs, sprich von ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl, lasse auf sich warten. Zum heißen Thema ist das geplante Murkraftwerk geworden, über das Rücker jedenfalls die Bevölkerung befragen will. Landes- und bundesweit sieht Rücker ihre Partei im Aufwind, v.a. weil man in der Energiefrage die Themenführerschaft zurückgewinne.

"Naturgemäß gibt es Reibereien"

Einerseits sehe sie sehr wohl, "was wir weiter gebracht haben" - bei Reformen, im Budget, in der Schwerpunktsetzung wie Kinderbetreuung oder Öffentlicher Verkehr - "da bin ich durchaus zufrieden", so Rücker. Anderseits: "Naturgemäß gibt es Reibereien. Was es uns momentan extra schwierig mit dem Koalitionspartner macht, ist, dass die ÖVP dermaßen mit sich selbst beschäftigt und meiner Meinung nach sehr orientierungslos ist." In der ÖVP orte sie viel Angst und Sorge, bei der nächsten Wahl - voraussichtlich im Jänner 2013 - gut abzuschneiden. "Die Handschlagqualität leidet darunter, weil das Gegenüber nicht weiß, wohin es geht." Andere Optionen seien freilich nicht in Sicht, räumte Rücker ein, die die Grünen weiter in Regierungsverantwortung sehen möchte.

Die Vizebürgermeisterin glaubt, dass es den Grünen gelungen ist, als Juniorpartner Profil zu zeigen: "In Graz weiß jeder, wofür die Grünen stehen." Die Grüne Handschrift zeige sich in der Verkehrs- und Nachhaltigkeitspolitik, "z. B. haben wir uns mit der E-Wirtschaft angelegt".

Bettelverbot delegiert

Während man das heikle Thema Bettelverbot zur Lösung an den Landtag - der dafür das Landessicherheitsgesetz verschärfte - delegiert hat und Schwarz-Grün in der Stadt damit die Zerreißprobe ersparte (Rücker: "Wir sind nicht zufrieden damit"), ist das Projekt Murkraftwerk mittlerweile - obwohl außerhalb des Koalitionspaktes angesiedelt - immer mehr zur Schlüsselfrage geworden: "Das ist ein Thema, das der Bevölkerung zur Diskussion gestellt werden muss." Notfalls würden die Grünen selbst eine Volksbefragung initiieren, wofür man 10.000 Unterschriften braucht.

"Enormer Moloch" in Wien

Dass sich Kollegin Maria Vassilakou in Wien leichter als sie selbst tut, glaubt Rücker nicht: "Die Wiener haben es mit einem enormen Moloch an sozialdemokratischer Durchdringung zu tun. Deshalb sind sie auch Dinge nicht angegangen, die wir gemacht haben, in der städtischen Wirtschaft etwa, da haben sie keinen Einfluss. Aber man habe in Wien das einzig mögliche gemacht: "Einer FPÖ ist dort nur eine starke, eine spürbare Politik entgegenzusetzen, mit einem starken Bürgermeister und einen grünen Färbung."

Im Hinblick auf Wahlerfolge der deutschen Grünen meinte Rücker: "Auf Landesebene ist es uns noch nicht gelungen, uns auf Themen zu konzentrieren, in denen Grüne etwas bewegen können". Hier bestünden generell auch traditionelle Strukturen, während die Stadt für Grüne Politik kompatibler und autonomer in der Gestaltung. Zuletzt habe man aber wegen des steirischen Sparbudgets und mit dem Widerstand der sozialen Netzwerke Profil gewinnen können. (APA)