Es lebe das Lokalkolorit mit allen seinen Toten. Das Lokalkolorit am Wiener "Tatort", das sind Harald Krassnitzers Dahinsiechen am Mensch- und Kommissarsein und Adele Neuhausers Nahverhältnis mit der Unterwelt. Der eine brummt, weil er ungesund lebt, die andere macht Petting mit schwulen Zuhältern. Allein die Toten, die in Rückblenden zu möglichen Tathergänge in grindigen Einkaufswagerln visualisiert wurden, erinnerten am Sonntagabend mehr an US-Forensik-Krimis als ans Holzpyjama- Anziehen auf echt Wiener Art.

Foto: ORF/Superfilm/Ingo Pertramer

Solcher Kälte hat nur Krassnitzer etwas entgegenzusetzen. Er menschelt sich durch die Nachrichten-Versatzstücke über bulgarische Einbrecherbanden und durch kolportagehaften Größenwahn aus Verbrechersyndikaten, Profikillern und eine die Polizei infiltrierende Mafiagöttin. Sagt er dazwischen noch etwas über den Dreck, den einer am Stecken hat, und über die Sau, der graust, intoniert er halbdialektal ein "Wertkortnhändi" und unterstellt er noch jemanden eine "Menschenkenntnis wie ein Grottenolm", dann ist sie fertig, die große Welt in den betulichen Zwängen Wiener Mentalitätsenge.

Foto: ORF/Superfilm/Ingo Pertramer

Dialekt, Gemütlichkeit und andere Ventile der Klischeekultur, die so behutsam und jenseits jeder Natürlichkeit in satten Farben einer Welt voll Super-Strizzis inszeniert sind, können keiner Wiener Selbsterkenntnis mehr gewidmet sein. Regisseur Harald Sicheritz' hinterhältiger Plan kann nur darin bestehen, potenzielle deutsche Touristen ordentlich mit der schrullig-lieben Wiener Art absoluter Realitätsferne zu bezirzen. 861.000 wollten allein in Österreich das gezwungene Werben um Sympathie sehen. Immerhin: Spannend war es ja. (Alois Pumhösel/DER STANDARD, Printausgabe, 31.5.2011)

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