Berlin - Bis 2022 wollen CDU/CSU und FDP in Deutschland nun aus der Atomkraft aussteigen. Damit nähern sich die Regierungskoalitionäre wieder stark dem rot-grünen Energiekonsens aus dem Jahr 2000 an. Die im Herbst von der Koalition durchgesetzten Laufzeitverlängerungen, wonach das letzte AKW erst nach 2035 vom Netz gehen sollte, werden kassiert. Allerdings gibt es auch Unterschiede zwischen dem alten rot-grünen und dem neuen schwarz-gelben Fahrplan.

Gemeinsam ist beiden Ausstiegskonzepten, dass von einer rechnerischen Gesamtlaufzeit pro Atomkraftwerk von 32 Jahren ausgegangen wird. Nach den rot-grünen Beschlüssen sollte daher das AKW Neckarwestheim II als letztes Atomkraftwerk 2021 vom Netz gehen. Die Atommeiler Biblis A und B sowie Neckarwestheim I hätten ihr Laufzeitende bereits heute erreicht. Allerdings wurde die Laufzeit nach Reststrommengen berechnet, die jedes AKW noch produzieren durfte. Dies bedeutete auch, dass sich bei Betriebsunterbrechungen die kalendarische Laufzeit entsprechend verlängerte.

Neu ist jetzt vor allem das konkrete Enddatum 2022, an dem laut Koalitionsbeschluss das letzte AKW vom Netz gehen soll. Dies soll nach dem Willen von Union und FDP für die drei modernsten Atommeiler gelten. Das wären neben Neckarwestheim II noch die AKW Emsland und Isar II. Nach 2022 etwa noch vorhandene Restlaufzeiten sollen verfallen. Dagegen hätte sich nach rot-grüner Gesetzeslage der Ausstieg wohl bis mindestens 2023 verzögert, vielleicht auch noch länger. Die von der Regierung eingesetzte Ethikkommission hatte einen Ausstieg bis 2021 empfohlen, möglichst jedoch schon früher.

Die bereits im März nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima vorläufig vom Netz genommene ältesten deutschen Atomkraftwerke, darunter das ohnedies schon 2007 abgeschaltete Brunsbüttel, sowie der Pannenreaktor in Krümmel sollen den Koalitionsplänen zufolge nicht mehr ans Netz gehen. Damit gehen Union und FDP etwas über den rot-grünen Ausstiegsfahrplan hinaus, demzufolge einige Altanlagen noch wenige Monate oder Jahre hätten betrieben werden können. Die deswegen nun nicht mehr genutzten Restlaufzeiten sollen die Betreiber aber offenbar ebenso wie das Kontingent des nie wirklich ans Netz gegangenen AKW Mülheim-Kärlich auf andere AKW übertragen dürfen.

Daher dürften die neun neueren Atomkraftwerke nun vermutlich alle bis etwa 2021 beziehungsweise 2022 am Netz bleiben und damit teilweise deutlich länger als von Rot-Grün vorgesehen. Atomkraftgegner äußerten bereits Zweifel an der Glaubwürdigkeit der schwarz-gelben Beschlüsse, weil dann so viele relativ leistungsstarke AKW innerhalb weniger Monate abgeschaltet werden müssten.

Wieder offener als bisher ist nach den neuen Koalitionsbeschlüssen die Frage eines Atommüllendlagers in Deutschland. Aus den Koalitionsparteien hieß es dazu gemäß den Empfehlungen der Ethikkommission, es könnten auch andere Standorte als Gorleben in Niedersachsen infrage kommen, wo sich ein Zwischenlager befindet. SPD und Grüne hatten sich dazu damals nicht festgelegt, sondern nur ein zehnjähriges Moratorium für die weitere Erkundung des Salzstocks Gorleben verhängt.

Als Ersatz für die Atomkraft wollen Union und FDP den Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Energieeffizienz vorantreiben. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung soll bis 2020 auf 35 Prozent steigen, der Stromverbrauch zugleich um zehn Prozent sinken. Daneben setzt die Koalition aber auch auf weitere fossile Kraftwerke, also Kohle oder Gas. Neben den bereits im Bau befindlichen Neuanlagen soll eine weitere Kraftwerksleistung von zehn Gigawatt gesichert werden, zumindest zum Teil wohl ebenfalls Kohle- oder Gaskraftwerke. Die deutschen Klimaziele will die Koalition aber trotzdem einhalten.

SPD und Grüne hatten bei ihrem Atomausstiegs-Beschluss vor zehn Jahren keine Ersatzkapazitäten festgelegt, auch wenn parallel der Ausbau erneuerbarer Energien gefördert wurde. Inzwischen sehen die Konzepte vor allem der Grünen, aber auch der SPD allerdings einen ehrgeizigeren Ausbau erneuerbarer Energien vor als die Pläne von Union und FDP. (APA)