Bild nicht mehr verfügbar.

Martin Zimper: Nur ein Sportteam für Radio, TV und Internet.

Fotos: Reuters, EPA, dapd, ORF; Montage: Korn

Bild nicht mehr verfügbar.

Im angehenden "Age of Screens" werden Radio- und TV-Inhalte über verschiedene Kanäle konsumiert.

Fotos: Reuters, EPA, dapd, ORF; Montage: Korn

Wir stehen am Anfang eines neuen Medienzeitalters. Texte, Bilder und bedrucktes Papier haben das "Gutenberg-Zeitalter" dominiert: Bücher, Zeitschriften, Tageszeitungen, Prospekte, Flugblätter, Plakate, Druckmaschinen.

Im angehenden "Age of Screens" wird Alltag und Medienkonsum von Bildschirmen dominiert: große Flachbildfernseher im Wohnzimmer, daneben die "small screens" der Smartphones, Computer, Laptops, Tablets. Natürlich werden über Bildschirme auch Texte und Bilder aufgerufen und konsumiert, aber der Siegeszug bewegter Bilder und Soundtracks ist unaufhaltbar. Das Wettrennen um die Mediennutzungszeit gewinnen audiovisuelle Medien bereits heute: Radio und Fernsehen werden täglich stundenlang gesehen und gehört. Ein "Ende des Fernsehens" im digitalen Zeitalter ist nicht erkennbar.

Der österreichische Durchschnittsmensch sitzt gerne stundenlang vor dem TV-Bildschirm und rezipiert passiv seine zwei bis drei Lieblingssender, sagt die Statistik. Genauso intensiv hört er seine Lieblingsradiostation.

Neu ist, dass Fernseh- und Radioinhalte gerne mit anderen Freunden und Bekannten geteilt werden - nicht nur als Gesprächsstoff am realen Arbeitsplatz, sondern virtuell, in sozialen Netzwerken. Neu ist, dass man erwartet, die Inhalte zu jeder Zeit, an jedem Ort und auf allen Geräten und Screens, die man besitzt, abrufen zu können. Über den "long tail" erhalten so audiovisuelle Produktionen mehr Rezipienten als nur über lineare Ausstrahlung. Die online abrufbaren Inhalte werden über die Statusmeldungen sozialer Netzwerke "geshart" und kommentiert.

Neu ist der "second screen": beispielsweise ein Laptop oder TabletPC, den man gleichzeitig mit dem linearen TV-Konsum auf dem Heimsofa nützt und worüber man mit seinen Facebook-Friends verbunden ist, um ein Fußballspiel zu kommentieren, Quizfragen gemeinsam zu lösen oder zur Wahlberichterstattung zu chatten.

Vor diesem Hintergrund sind die Kernfunktionen des größten audiovisuellen Medienhauses des Landes, gleichzeitig eine gemeinnützige Non-Profit-Organisation, wiederzuentdecken. Der ORF soll qualitativ hochstehenden österreichischen Content senden und online zur Verfügung stellen. Die Sendungen werden mehrheitlich von österreichischen Journalisten, Moderatoren, Künstlern, Designern und unabhängigen TV-Produzenten gestaltet. Das Programm stammt schon immer aus zwei Bereichen: Non-Fiction und Fiction.

Im Non-Fiction-Bereich liefert der ORF das aktuelle Geschehen in Österreich und einen österreichischen Blick auf die Welt: Radionachrichten, TV-Dokumentationen, Polit-Talkshows, Direktübertragungen von Events, Radio- und TV-Kommentare, Korrespondentenberichte, Interviews, Sportsendungen und Wirtschaftsberichte - all das mit einem klaren Blick auf Vielfalt, Ausgewogenheit und regionale Besonderheiten.

Im Fiction/Entertainment-Bereich liefert der ORF jene Formen und Inhalte, die das Fernsehen (ursprünglich auch das Radio) großgemacht haben: unterhaltsame Moderationen, Musik, österreichische Serien, Soaps, Sitcoms, Quizshows, Familienshows, Liveübertragungen aus Theater und Oper, Kabarett, Komödie, Kino- und Fernsehfilme aus allen Genres.

Management folgt Inhalten

Die Einteilung der Geschäftsleitung des ORF sollte diesem Muster folgen: eine medienkonvergente Direktion für Fiction/Entertainment, eine zweite Konvergenz-Direktion für Non-Fiction/News/ Sports/Docs, eine Finanzdirektion sowie eine neue Direktion für Relationship-Management (vor allem zu den Gebührenzahlern, aber auch zu allen gesellschaftlichen Gruppen, Firmen und Netzwerken, die von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt profitieren, sowie zum Werbe- und Personalmarkt). Die Landesdirektionen sind weiterhin für das regionale Radioprogramm, für das Bundesland-Fernsehfenster und lokale Online-Inhalte zuständig.

Die neuen Direktionen organisieren das gesamte Programm trimedial. Die audiovisuellen Non-Fiction- und Fiction-Programme werden nicht nur linear ausgestrahlt, sondern auch - soweit rechtlich möglich - nonlinear als Download/VoD oder Stream online zur Verfügung gestellt. Neue Formen der Zuschauereinbindung via Social Networks und "second screen"-Erlebnisse werden entwickelt. Warum die Fernsehsportredaktion vom Radiosportreporter und der Internet-Sportseite früher jahrelang getrennt war, wird man innerhalb kurzer Zeit nicht mehr verstehen.

Die tägliche Arbeit an dieser neuen Struktur würde Raum schaffen für personelle, inhaltliche, finanzielle und örtliche Veränderungen - aber aus dem Blickwinkel einer inhaltlichen Strategie und nicht aus dem Blickwinkel opportunistischer Politikspiele. Der Umbau braucht Zeit und benötigt die Zusammenarbeit des überwachenden ORF-Stiftungsrats mit der neu gewählten operativen Geschäftsleitung.

Im Übrigen: Aufsichtsorgane und Vorstand des öffentlich-rechtlichen Schweizer Rundfunks SRF in der mit Österreich vergleichbaren Schweiz gehen diesen konvergenten Weg einmütig seit Jahresanfang. Warum sollte der ORF nicht folgen? (Kommentar der anderen/DER STANDARD, Printausgabe, 31.5.2011)