Houshang Asadi und seine Frau Nooshabeh Amiri kämpfen für Menschenrechte im Iran.

Foto: Andy Urban
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Sein einstiger Peiniger aus dem iranischen Foltergefängnis ist heute Botschafter in Tadschikistan. In seinem Buch "Letters to my Torturer" stellt sich Houshang Asadi seinen Erinnerungen. Mit ihm und seiner Frau Nooshabeh Amiri sprach Julia Herrnböck.

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STANDARD: Sie erlitten beim Schreiben einen Herzinfarkt.

Asadi: Das ist richtig. Dann habe ich ein Jahr pausiert. Meine Frau hatte Angst, dass mich das Schreiben umbringt. Aber mein Arzt meinte, vielleicht bringt es mich um, nicht zu schreiben. Also habe ich weitergemacht. Aber mein Herz schmerzt die ganze Zeit.

STANDARD: Für Ihr Buch werden Sie am 1. Juni in Wien mit dem Human Rights Book Award ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Asadi: Die Situation der Menschenrechte im Iran wird schlimmer und schlimmer. Der Preis hilft mir weiterzuschreiben. Ich will Bewusstsein schaffen. Mein nächstes Buch behandelt Frauen, die gefoltert werden.

STANDARD: Sie haben unter Folter gelogen, dass Sie ein Spion wären. Haben viele Ihrer Mithäftlinge falsche Geständnisse gemacht?

Asadi: Jeder wird dazu gezwungen. Sie (die Folterer, Anm.) brechen dich, und du vergisst deine eigenen Ideen.

Amiri: Sie haben ein Drehbuch. Und durch Gewalt zwingen sie dich, Geständnisse nach ihrem Drehbuch zu machen.

Asadi: Alle Frauen sind in dem Drehbuch Prostituierte, alle Männer entweder homosexuell oder Spione für die USA oder Israel.

STANDARD: Wollen Sie Ihrem Peiniger noch einmal gegenüberstehen?

Asadi: Ich hoffe, dieser Tag wird nie kommen. Aber ich würde ihm sagen: Ich verzeihe dir. Geh raus und erzähle es allen: Folter ist gegen die Menschenrechte. In meinem Buch habe ich ihn indirekt auf ein Bier nach Paris eingeladen.

STANDARD: Wie können Sie dem Mann verzeihen, der Sie jahrelang gefoltert hat?

Asadi: Aus zwei Gründen. Zum einen muss dieser Kreislauf von Gewalt unterbrochen werden. Der beste Weg ist zu vergeben, nicht zu vergessen. Zum anderen liebe ich das Leben und seine Schönheit. Ich könnte keinem Menschen Gewalt antun.

STANDARD: Kann nur ein Sadist ein Folterer sein?

Amiri: Die spirituellen Führer im Iran sagen diesen Männern: Das sind alles Feinde Gottes. Dann erzwingen sie Geständnisse und glauben, dass die Führer recht hatten. Religion ist eine Ausrede für Unterdrückung - so wie jede andere Ideologie.

Asadi: Es gibt zwei Typen von Folterern. Die einen, die um 18 Uhr nach Hause gehen. Sie schlagen dich für Information. Und dann gibt es die Ideologen. Bruder Hamid, wie meiner sich nannte, war so einer. Dieser Typ will deine Identität zerstören. Ich glaube, es hat ihm Vergnügen bereitet.

Amiri: Sie rächen sich an gebildeten Menschen. Dass ich einen Universitätsabschluss habe und noch dazu eine Frau bin, gab meinem Verhörer das Gefühl, er hat einen Grund, mich zu zerstören.

STANDARD: Herr Asadi, Sie schreiben, er hat Sie von einem Idealisten zur niedrigsten Kreatur auf Erden gemacht. Wie ist das gemeint?

Asadi: Er zwang mich meine eigenen Fäkalien zu essen. Ich musste bellen und auf vier Beinen laufen. Ich verwandelte mich in das schlimmste Tier der Welt.

Amiri: Sie bringen dich so weit, dass du gegen deine eigene Familie aussagst, im Fernsehen. Sie machen aus deinem Kopf eine Tafel, auf der sie den Text schreiben. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.6.2011)