Bild nicht mehr verfügbar.

Weil der Franken teuer ist, können viele Ungarn ihre Devisendarlehen nicht bezahlen. Ungarns Banken mussten wegen der faulen Kredite im Jahr 2010 1,2 Milliarden Euro wertberichtigen.

Foto: Reuters
Grafik: STANDARD

Wien - Wer den weiten Weg zu Mariann Lénárd antritt, ist am Ende. Lénárd leitet einen Verband für geschädigte ungarische Kreditnehmer. Tagtäglich pilgern dutzende Menschen in ihre Beratungsstelle auf dem alten Fabriksgelände am Rande von Budapest. Sie haben alle dasselbe Problem: Sie können ihren Bankkredit nicht mehr bezahlen. Zunächst waren es die typischen Krisenopfer, die Arbeitslosen, die Lénards Rat suchten.

Inzwischen hat sich das Problem der überbordenden Verschuldung tief in die Mittelschicht hineingefressen. "Uniprofessoren sind ebenso betroffen wie Kindergärtner", erzählt Lénárd.

Der Grund ist simpel: Fast 70 Prozent der ungarischen Hypothekenkredite wurden in Fremdwährungen, allen voran Schweizer Franken, vergeben. Weil der Franken erstarkt ist und der Forint sein Vorkrisenhoch noch nicht erreicht hat, stecken über zehn Prozent der ungarischen Eigenheimbesitzer in der Schuldenfalle. 130.000 Haushalte leisten seit über 90 Tagen keine Zahlungen mehr auf ihre Hypothek. Weitere 130.000 sind in Zahlungsverzug.

Hilfe für die Schuldner

Die Regierung von Premier Viktor Orbán hat am Montagabend ein Programm vorgestellt, das Abhilfe schaffen soll. Das Paket dürfte in Europa einzigartig sein. Darüber, wem nun geholfen wird, gingen die Meinungen schon Dienstag weit auseinander.

Konkret haben sich Banken und Regierung darauf geeinigt, die Wechselkurse bei einem fiktiven Wert zu fixieren. Für einen geliehenen Franken müssen die Schuldner demnach nicht den Marktpreis von 217 Forint bezahlen sondern nur 180, für einen Euro 250, statt 266 Forint.

Für den Differenzbetrag zwischen realem und fiktivem Wechselkurs der sich jeden Monat ergibt, erhält der Schuldner einen neuen Kredit von seiner Bank. Bis 2015 werden die Beträge auf einem Konto verbucht. Danach muss der Kunde beginnen das Geld mitsamt rund sieben Prozent Zinsen retour zu zahlen. Ungarns Regierung haftet für die Rückzahlung dieses Betrages, die Banken zahlen dafür eine Gebühr an den Staat. Gleichzeitig wird ein seit 2009 geltendes Moratorium, wonach Hausbesitzer von ihrer Bank nicht gepfändet werden dürfen heuer endgültig auslaufen. In letzter Konsequenz könnten damit Zigtausende delogiert werden.

Die österreichischen Kreditinstitute taten sich mit einer Einschätzung des Paketes schwer. Die Erste wollte sich nicht äußern. Bei der Raiffeisen Bank International sprachen Analysten davon, dass den Banken in Ungarn de facto neue Kreditvergaben aufgezwungen würden. Gianni Franco Papa, Bank Austria Vorstand für das Osteuropageschäft, sprach von einer "ausgewogenen Lösung", die allen Beteiligten nütze.

Begrenzte Nachfrage erwartet

Klientenbetreuerin Lénárd widerspricht dem heftig: "Für die Menschen bringt diese Lösung fast nichts. Ihre Schulden steigen weiter, das Fremdwährungsrisiko bleibt auf ihnen langfristig lasten." Ein zusätzliches Risiko ist, dass der ungarische Staat nun auf dem Fremdwährungsrisiko mit drauf sitzt. Derzeit sind die Gefahren überschaubar, aber was, wenn der Forintkurs abstürzt?

Der ungarische Analyst Dávid Németh rechnet zudem mit einer "begrenzten Nachfrage" beim neuen Modell. Maximal 100.000 Bankkunden würden es annehmen. "Wer sich für die verspätete Rückzahlung entscheidet, muss dafür schließlich teuer bezahlen."

Für die in Schweizer Franken verschuldeten Kreditnehmer in Österreich käme die Lösung in Ungarn übrigens nicht in Frage, denn hier sind die Kredite endfällig. Durch den extremen Euro-Abfall haben sich auch die heimischen Kredite verteuert. Ein Ausweg ist, die Laufzeiten zu verlängern, um eine Rückzahlung zu sehr ungünstigem Kurs zu verhindern. (András Szigetvari, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 1.6.2011)