Wieder einmal atmen viele Politiker, Marktteilnehmer und Regulatoren auf. Es sieht so aus, als könnte in den nächsten Wochen eine weitere Einigung erzielt werden, die eine Umschuldung von Griechenland aufschiebt. So berichtet das WSJ über einen Kurswechsel der deutschen Politik, die nun doch bereit sein soll, auf eine Beteiligung der privaten Gläubiger an der griechischen Rettung zu verzichten. Sprich: Die Banken müssen nicht für eine Umschuldung zahlen.

Das lustige ist, dass sich die Rhetorik in den vergangenen Tagen auf eine skurrile Art verändert hat. Mittlerweile warnen Politiker davor, dass eine Umschuldung den Investmentbanken nutzen würde, die jene Anleihen restrukturieren würden und so ein hübsche Stange Geld verdienen. Dass das natürlich Peanuts sind gegen jene Milliarden Euro, die sich die derzeitigen Besitzer der griechischen Bonds ersparen, wenn nicht umgeschuldet wird, wird unter den Teppich gekehrt (Ö1).

In einem aktuellen Papier hat Societe Generale's Chefökonomin Michala Marcussen argumentiert, dass auch ein bisschen gewonnene Zeit wertvoll ist. "Einige Kommentatoren sagen, dass es unsinnig ist, das 'Unvermeidbare' aufzuschieben. Wir widersprechen! Unseres Erachtens ist die Zeit wertvoll. Spanien war einer der Nutznießer des 'Zeitwerts'." Das Argument von Marcussen lautet wie folgt. Man wurschtelt mit Griechenland so lange wie nötig durch. In der Zwischenzeit werden alle anderen potentiellen Krisenherde (Portugal, Irland, Spanien, Italien) mit Sparpaketen gelöscht. Marcussens Argument ist stark, denn zweifelsohne würde eine Umschuldung in den kommenden Wochen auch die Finanzierungskosten von Ländern wie Spanien belasten und könnte damit zu einem Domino-Effekt führen.

Doch es greift zu kurz. Die jüngste Erholung an den Anleihenmärkten in Italien und Spanien ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass diese Staaten fundamental nicht so enttäuscht haben wie eben Griechenland oder Portugal. Daher ist das Zeit-Argument nicht ausreichend. Das Problem in Griechenland ist ein griechisches Problem, daher sollte die Politik nach der besten Lösung für den griechischen Staat suchen. Und die Aussicht fünf Prozent Zinsen auf die Staatsschulden zu zahlen ist trüb; in einem Land, das in den kommenden Jahren wohl deutlich langsamer wachsen wird. 160 Prozent Staatsverschuldung wird wohl kaum im Jahre 2014 oder 2020 oder sonst irgendwann ein lösbarer Problem sein. Daher braucht es ein reinigendes Gewitter, eine Reduzierung des Schuldenstands und weitere Sparpakete um das Defizit abzutragen.

Es gibt insbesondere zwei Gründe, warum EU-Politiker und EZB-Banker am Mantra des Umschuldungsverbots festhalten:

1. Die EZB hält einiges an griechischen Staatsanleihen. Da genaue Zahlen nicht bekannt sind, gehen Marktteilnehmer derzeit davon aus, dass die EZB schlanke 45 Milliarden Euro an griechischen Bonds in den Büchern hat (Standard). Bei einem Haarschnitt von 50 Prozent muss die Zentralbank 22,5 Milliarden Euro an Verlust verkraften. Dazu kommt noch ein unbekanntes Volumen an Anleihen, die von der EZB als Sicherheiten akzeptiert wurden. Gehen ihre Vertragspartner (etwa griechische Banken) im Zuge einer Umschuldung Pleite, könnten auch von dieser Seite Verluste kommen. Das käme wohl zu einem Unzeitpunkt, denn schließlich ist das Vertrauen der Europäer in die EZB so niedrig wie noch nie (Studie zu Vertrauen der Europäer in die Europäische Zentralbank). Doch insgesamt wären die Folgen überschaubar. Wirkliche Verluste der EZB müssten von den nationalen Notenbanken beglichen werden (und damit von den Finanzministern).

2. Die Folgen für die Kapitalmärkte sind nicht ganz abschätzbar. Manche EZB-Banker warnen davor, dass die Pleite Griechenlands ähnliche Dimensionen haben könnte wie Lehman Brothers 2008. Das ist auch die Meinung von Wolfgang Schäuble. Dabei sind die Dimensionen nur schwer vergleichbar. Lehman Brothers hatte fast doppelt so viele Schulden ausstehen als Griechenland mit seinen 330 Milliarden Euro. Zudem sprechen wir hier von einem Haarschnitt von 60 Prozent, der nach Schätzung von einigen Analysten den Schuldenberg wieder bewältigbar macht. Anleihen-Eigner von Lehman sind zum Teil mit 15 Cents auf den Dollar ausgestiegen, deutlich schlechter. Auch die Vernetzung Griechenlands an den Kapitalmärkten ist nicht so stark wie jene Lehmans. Klar, auch das verschuldete Land hat über seine Schuldenagentur noch einige Derivate auf den Büchern. Wirklich interessant dürften aber die Kreditausfallversicherungen (CDS) werden, die auf griechische Anleihen begeben worden sind. Hier könnte es Risiken für den europäischen Finanzmarkt geben, wenn einzelne Geldinstitute allzu große Verkäufer von griechischen CDS waren, die dann (auch bei einer "sanften" Umschuldung) schlagend werden und bedient werden müssen.

So oder so, auch die cleverste Politik wird aus der aktuellen Misere keine Win-Win-Situation mehr machen. Jetzt ist es an der Zeit die Verluste für alle Beteiligten zu minimieren.

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