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Um den AKW-Ausstieg zu ermöglichen, soll in Deutschland die thermische Sanierung von Gebäuden wieder intensiviert werden. Der Zentralverband des Handwerks erwartet einen "Riesenschub".

Foto: REUTERS/Hazir Reka

Berlin/Wien - Nach dem Beschluss der deutschen Bundesregierung, aus der Atomenergie bis spätestens 2022 auszusteigen, steigen die betroffenen Energiekonzerne auf die Barrikaden - rechtliche Schritte der Energieriesen Eon und RWE sind mehr als wahrscheinlich.

Andere Branchen indes wittern nun Morgenluft: Das deutsche Handwerk etwa erwartet von der in der Nacht zum Montag beschlossenen Energiewende der schwarz-gelben Regierung einen "Riesenschub" für seine Betriebe. Die Sanierung veralteter Heizungsanlagen und der Gebäudehülle seien ein "Schlüssel für die Energiewende", sagte der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke, der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Der Hintergrund: Ein Kernstück der Energiewende muss eine Steigerung der Energieeffizienz sein. Deshalb will die Berliner Regierung die klimafreundliche Gebäudesanierung künftig mit 1,5 Milliarden Euro jährlich fördern. Schwannecke will noch mehr: Aus Expertensicht sollten "mindestens zwei Milliarden Euro dafür vorgesehen werden, und das unbedingt ab 2012". Im Konzept der Regierung ist keine Jahreszahl angegeben.

Das Stop-and-Go der deutschen Regierung in der Atomfrage - erst die Laufzeitverlängerung, jetzt der Ausstieg - spiegelt sich auch im Bereich der Energieeffizienz wider: 2009 hatte die Regierung noch 2,2 Milliarden Euro Fördergeld für Sanierungsmaßnahmen zur Energieeffizienz bewilligt. 2010 wurde die Summe auf 1,35 Mrd. Euro gesenkt. Für dieses Jahr sind gar nur 436 Mio. Euro vorgesehen, sowie zusätzliche 500 Mio. Euro aus dem Energie- und Klimafonds.

Doch auch für die gesamte Wirtschaft rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) durch die Energiewende mit einem deutlichen Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt. "Die deutsche Wirtschaft kann wie keine andere vom Boom der grünen Branchen profitieren", sagte die DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert dem Hamburger Abendblatt. So "können bis zu einer Million zusätzlicher Arbeitsplätze entstehen, wenn Unternehmen in die entscheidenden Zukunftsmärkte investieren".

Insgesamt führe der Ausbau der erneuerbaren Energien nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu höherem Wirtschaftswachstum und Konsum: "In keinen Markt werden in den kommenden Jahrzehnten mehr Investitionen fließen als in die zukunftsweisenden Energie- und Mobilitätsmärkte", prognostiziert Kemfert.

Energiewende steigert BIP

Das DIW hatte auf Basis eines neu entwickelten Prognosemodells die Auswirkungen der Energiewende untersucht. Demnach werde das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2030 etwa 2,9 Prozent höher sein als ohne Ausbau. Zu den relevanten Geschäftsfeldern zählten neben den erneuerbaren Energien die Förderung der Energieeffizienz und Energiespeicherung, intelligente Daten- und Energienetze, aber auch die klassischen Umweltschutzbranchen wie Müllverarbeitung, Recycling und Wasseraufbereitung.

Und das wirtschaftsnahe Fachmagazin Markt und Mittelstand prognostiziert bei einem raschen Atomausstieg zusätzliche Aufträge von bis zu 65 Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft.

Derzeit sind EU-weit im Bereich der Ökoenergie fast 700.000 Menschen tätig. Laut Prognosen könnten bis 2050 in der EU 6,1 Millionen Menschen in der Branche erneuerbare Energien arbeiten. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD, Printausgabe, 1. Juni 2011)