Wien - Das Thema Digitalradio spaltet derzeit die heimische Radioszene. Die ORF-Sendetechniktochter ORS will noch heuer in einer Eigeninitiative den Testbetrieb für digitales Radio DAB+ starten, nicht gerade zur Freude der Radiobetreiber. Der Großteil der Radiomacher würde nämlich gerne zuerst die Entwicklung in Deutschland beobachten, wo der erste Versuch, den Hörfunk zu digitalisieren, bereits vollständig gefloppt ist. Ein neuer Anlauf zur Einführung von DAB+ startet im September. Solange es dort keine positiven Erfahrungswerte gibt, ist die Mehrheit der etablierten Anbieter nicht bereit, Geld für die neue Technologie in die Hand zu nehmen - oder wie der im ORF für Radiodigitalisierung zuständige Albert Malli sagte: "Geld zu verbrennen und dem Konsumenten etwas anzubieten, was der nicht will."

Rückendeckung bekommt Malli vom Vertreter der Privatradios, dem Geschäftsführer von Life Radio Christian Stögmüller: "Wir wollen nicht in Märkte investieren, die kaum Reichweite bringen. Außerdem möchten wir zunächst die Entwicklungen in Deutschland beobachten, bevor wir hierzulande Schritte zum Einstieg in DAB+ setzen." In Richtung ORS meint er: "Es ist nicht die Aufgabe der ORS aus Eigeninteresse Sender in neue Technologien zu treiben, sondern den Marktbedarf zu bedienen."

Kompliziert

Im Gegensatz zur erfolgreich abgeschlossenen Digitalisierung des Fernsehens ist die Digitalisierung des Radios laut Malli deutlich komplizierter. "Ein österreichischer Haushalt hat im Durchschnitt fünf bis sechs Radioempfänger." Diese Tatsache garantiert den Sendern die hohe Reichweite, weil dadurch eine ununterbrochene Empfangbarkeit gewährleistet ist. Würde man den Umstieg auf DAB+ forcieren, hieße das für den Konsumenten, dass er alle Endgeräte austauschen muss und dafür sieht Malli keinen ausreichenden Anreiz. Allenfalls müssten neue Programme her, die einen Mehrwert für digitales Radio bringen. Der ORF könnte sich etwa ein Kinderradio, eine reines Informationsradio oder ein Sportradio vorstellen - dafür bräuchte er aber die gesetzliche Erlaubnis.

Von einem Parallelbetrieb von UKW und DAB+ hält Malli nichts, denn das würde für den Radioanbieter doppelte Übertragungskosten bedeuten. Auch Florian Novak von Lounge FM, der dem sofortigen Start von DAB+ anders als Malli positiv gegenübersteht, fordert "einen politischen Fahrplan zum Abschalten von UKW, zum Beispiel im Jahr 2025". Ein Befürworter für den baldigen Start von DAB+ ist auch Wolfgang Struber von Radio Arabella. Er sieht Digitalradio als "notwendige Fortentwicklung des Mediums Radio, das momentan technologischen Stillstand hat".

Mehr Content, mehr Sender

Die Vorteile von DAB+ für den Konsumenten wären laut Struber, dass es mehr Content gäbe, mehr Sender im verfügbaren Frequenzspektrum unterzubringen wären und der Empfang weniger störungsanfällig wäre. Andererseits könnten auch Verkehrsfunkinformationen zusätzlich als Text gesendet und auf entsprechenden Empfängern angezeigt werden. Für den Radiobetreiber würde ein totaler Umstieg von UKW auf DAB+ "signifikant reduzierte Infrastrukturkosten bei der Übertragung" bedeuten, so Struber.

Bis es soweit ist, kommen auf die Radiobetreiber allerdings Mehrkosten zu und wer "den Aufbau in der Anfangsphase finanziell schultern soll, ist zu diskutieren", sagte Novak. "Für einen Privaten ist es mangels Refinanzierung in den ersten Jahren nicht oder nur eingeschränkt darstellbar." Alfred Grinschgl, Geschäftsführer der Rundfunkregulierungsbehörde RTR, befürchtet, dass die Finanzierung an ihm hängen bleiben könnte. Vorsorglich betonte er daher, dass der Digitalisierungsfonds der RTR mit 500.000 Euro begrenzt sei. Mehr als 200.000 Euro aus diesem Topf fließen heuer bereits an den ORF für sein HbbTV-Projekt - da bleibt nicht mehr sehr viel übrig. Fördern will Grinschgl - wenn überhaupt - dann nicht auf Konsumentenseite, sondern "für kurze Zeit anteilig die Simulcast-Kosten - aber maximal drei Jahre lang".

Grundsätzlich gibt sich die RTR, die seit Jahren eine Interessengemeinschaft zum Thema Digitalradio eingerichtet hat, in der Causa Digitalradio zurückhaltend. Auch Grinschgl hält es für sinnvoll, die Erfahrungswerte aus Deutschland abzuwarten. Innerhalb der österreichischen Branche kann Grinschgl jedenfalls "kein Einvernehmen für einen Start von DAB+ in diesem Jahr feststellen". Am 28. Juni werden sich die Radioanbieter gemeinsam mit RTR und ORS zwecks gemeinsamer Willensbildung zusammensetzen. (APA)