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Die Amerikanerinnen werden offener, wenn es darum geht, arbeitslose Männer zu daten.

Foto: AP/dapd/Dovarganes/

Beatrice Uerlings sprach mit Danielle Belton, Ana Marie Cox und J. C. Davies.

Die Dating-Website Zoosk.com hat den Trend in einer Umfrage festgehalten: Die Amerikanerinnen werden offener, wenn es darum geht, arbeitslose Männer zu daten. 60 Prozent der Befragten würden sich darauf einlassen. 2009, als die letzte umfassende Stichprobe zum Thema gemacht wurde, war noch nicht einmal die Hälfte der US-Frauen bereit, etwas mit einem Mann anzufangen, der keinen Job hat. Woher rührt der Sinneswandel?

Ein Gespräch mit drei Expertinnen: Ana Marie Cox ist die Korrespondentin des Männermagazins "GQ" in Washington, Danielle Belton betreut den Lifestyle-Blog BlackSnob.com, und die New Yorkerin J. C. Davies hat ihre Wall-Street-Karriere an den Nagel gehängt und schreibt heute Bücher zum Thema Partnersuche.

STANDARD: Dass arbeitslose Männer attraktiv sind, ist neu. Warum gerade jetzt dieser Trend?

Belton: Ich bin mir nicht sicher, ob dem Ganzen ein kultureller Wandel zugrunde liegt. Vielleicht hat es damit zu tun, dass die Amerikanerinnen sich schlicht den neuen Realitäten anpassen. Obwohl die Rezession offiziell zu Ende ist, bleibt immer noch fast jeder zehnte US-Bürger ohne Job.

Das Konzept "Mit dem hast du ausgesorgt" lässt sich folglich nicht mehr so leicht in die Tat umsetzen. Viele Amerikanerinnen sind jetzt schon froh, wenn sie einen Partner finden, der ihren intellektuellen Background teilt oder dieselben Wertvorstellungen hat.

STANDARD: Zählt also jetzt eher das Potenzial denn tatsächliche Errungenschaften? Reicht es, wenn der Auserwählte zumindest klare Vorstellungen von seiner künftigen Karriere hat?

Belton: So ähnlich. Was zählt ist, dass die Frau ihren Partner, auch wenn der keine Arbeit hat, den Eltern vorstellen kann, ohne dass es gleich heißt: "Für so einen haben wir dir kein teures Studium finanziert." Arbeitslos ist nicht gleich arbeitslos. Wenn ich zum Beispiel mit einem arbeitslosen Arzt antanzen würde, der vielleicht sogar an einer Elite-Uni studiert hat, dann könnte sich mein Vater durchaus dazu durchringen, ihm eine Chance zu geben.

STANDARD: Kurzum: Es geht darum, einen Typen mitzubringen, der so qualifiziert ist, dass er eigentlich nicht arbeitslos sein dürfte?

Belton: Genau. Einer, der sich vor Angeboten kaum retten könnte, wenn die Wirtschaft nicht so brutal kriseln würde. Bei so einem hätte mein Daddy ein Nachsehen. Er würde zumindest erst einmal abwarten und schauen, wie sich die Dinge weiterentwickeln.

STANDARD: Frau Davies, in Ihrem neuen Buch "Got the fever" befassen Sie sich mit Frauen, die Männer aus anderen Kulturen und anderen Ethnien daten. Gibt es Bevölkerungsgruppen, bei denen der Faktor Arbeitslosigkeit eher ein privates Totschlagargument ist als bei anderen?

Davies: Absolut. Ich habe bei meinen Recherchen lateinamerikanische, indische, asiatische wie jüdische Männer interviewt, und es gibt ganz klar Differenzen. Mein Lebensgefährte ist Jude und arbeitet als Buchhalter. Er sagt, dass das Wichtigste für die Männer aus seinem kulturellen Umfeld ist, dass sie etwas auf der hohen Kante haben, Arbeitslosigkeit wird nicht so sehr als Problem angesehen.

Bei den Asiaten und Indern ist das anders: "Du bist, was du machst" , so lautet ihre Lebenseinstellung. Sie trauen sich erst gar nicht, eine Frau zu umwerben, wenn sie nicht für die selbige sorgen können.

STANDARD: Und wie ist es um die Afroamerikaner bestellt? Denen macht die derzeitige Jobflaute ja besonders zu schaffen: Selbst bei denen, die einen College-Abschluss haben, liegt die Arbeitslosenrate doppelt so hoch wie bei den weißen Arbeitnehmern ...

Davies: Auch hier bleibt das Stigma weit verbreitet, wenngleich es eher von den Frauen selber ausgeht. Die Latinas und Afroamerikanerinnen schrecken eher davor zurück, etwas mit einem Arbeitslosen anzufangen.

Ich glaube, dass sie die allgemeine Situation einfach satt haben. Denn die hohe Arbeitslosigkeit ist für farbige US-Bürger keine direkte Folge der Rezession. Sie macht diesem Teil der Bevölkerung seit jeher mehr zu schaffen als dem weißen Amerika. Die Frustration der Afroamerikanerinnen ist einfach größer, weil sie sich schon seit so langer Zeit und oft mit arbeitslosen Partnern rumschlagen.

STANDARD: Im Gegensatz zu den nichtfarbigen Amerikanerinnen: Für die sind arbeitslose Männer laut Statistik nicht mehr ganz so unsexy wie früher ...

Cox: Nun ja, man darf dabei nicht außer Acht lassen, dass Umfragen nicht die ganze Geschichte erzählen. Mich interessiert zum Beispiel, wie diese Erhebungen das Wort "daten" definieren. Der gutaussehende, arbeitslose Kerl an der Bar: klar, der mag nach ein paar Drinks als Flirt ganz okay sein, aber das bedeutet nicht, dass du ihn auch gleich heiraten willst.

Spannend ist der Trend aber trotzdem alleine schon deshalb, weil er auch viel über die veränderte Rolle der Frau aussagt: Die Amerikanerinnen von heute haben mehr Vertrauen in ihre eigenen Kapazitäten. Sie können und wollen oft auch für sich selber sorgen. Sie sind nicht mehr auf eine Partnerschaft mit einem Brotverdiener angewiesen.

STANDARD: Stichwort "starke Frauen" – John Boehner, der neue Vorsitzende des US-Abgeordnetenhauses, ist bekannt dafür, dass er bei jedem auch nur ansatzweise emotionalen Thema Krokodilstränen vergießt. Auf Blogs wie Slate oder DoubleXs ist nachzulesen, dass eine Menge Frauen diese Gefühlsausbrüche völlig in Ordnung finden. Aber zugleich stellen viele klar, dass sie sich das selber im Berufsalltag nie erlauben würden.

Cox: Das stimmt. Stellen Sie sich vor, dass eine Margret Thatcher oder eine Condoleezza Rice derartig Rührung gezeigt hätte. Alle wären verwirrt gewesen. Es gibt immer noch diesen doppelten Standard.

Frauen müssen sich damals wie heute viel stärker behaupten und viel tougher sein, wenn sie dasselbe wie ihre männlichen Kollegen erreichen wollen. Wenn du als Frau weinst, dann heißt es gleich: die ist schwach, die kann keine Herausforderungen bewältigen. Aber bei Männern, die früher keine einzige Träne vergießen durften, ist das heute völlig in Ordnung.

Wissen: Dating-Kultur made in USA

1.) Dating ist nicht gleich Dating

Übersetzt heißt Dating "sich treffen" . Aber: "At what age did you start dating?" heißt: "In welchem Alter hast du angefangen, Mädchen/Jungs zu treffen, um sie näher kennenzulernen?" Spätestens ab 16 bekommt das "Daten" eine romantische Konnotation.

2.) Der Mann muss Flagge zeigen

Amerikanerinnen erwarten, dass der Mann den ersten Schritt macht. Er muss Bereitschaft und Potenzial signalisieren: Ungebunden sollte er sein und beweisen, dass seine Barschaft mindestens ausreicht, der Angebeteten ein Essen zu spendieren.

3.) Rituale sind Pflicht

Dates müssen genau vorbereitet und gebührend zelebriert werden, sonst taugen sie nichts. Für die Frau reicht dafür oft ein Friseurbesuch. Anders beim Mann: Je nach Gehalt werden bestimmte Einladungen erwartet. Wer in den USA schick essen will, kann dabei locker 200 Dollar pro Person bezahlen.

4.) Graduelle Annäherung

Während in Europa die gleiche Wellenlänge zählt, ist das in den USA Nebensache: Ausgehpartner werden auf Kompatibilität der Lebenspläne geprüft. Beim ersten Date wird ein Fragenkatalog durchgearbeitet: von Beruf, Bildungsgrad über Hobbys bis zur Haltung zu Kindern.

5.) Location, Location, Location

Das erste Date hat in einer Bar stattzufinden – zwischen Montag und Donnerstag. Ein Wochenende ist tabu, weil es ein Zeichen gesteigerter Wertschätzung ist und erst verdient werden muss. Ein Kuss ist erst beim dritten Treffen angebracht.

6.) Lockerheit vorschützen

Echte Ungezwungenheit ist kontraproduktiv, weil sie dazu verleitet, die Dating-Regeln zu brechen. Vom Versuch, intellektuell zu punkten, wird abgeraten: Beim Daten ist simulierte Oberflächlichkeit geboten. Um dabei locker zu wirken, büffeln die Amerikaner für die Konversation wie für eine Prüfung.

7.) Aller Abschied ist schwer

In Europa wird die Frage des Wiedersehens von beiden Partnern am Ende des ersten Dates entschieden. In den USA wird erwartet, dass der Mann sich zurückhält. Er sollte ein bis zwei Tagen verstreichen lassen, ehe er wieder anruft. (Beatrice Uerlings/DER STANDARD; Printausgabe, 4./5.6.2011)