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Der Jemen, ein blutiges Pflaster.

Foto: EPA/YAHYA ARHAB

Sanaa/Wien - Jemen blickt auf eine reiche Tradition an blutigen Umsturzversuchen und Bürgerkriegen zurück. Unter der 1962 gestürzten zaiditischen Dynastie hatten die königlichen Scharfrichter viel Arbeit. Nach regelmäßigen Palastrevolten, von denen vor allem jene von 1948 und 1955 in Erinnerung geblieben sind, fanden schauerliche Blutgerichte mit Zehntausenden von Hinrichtungen statt. Die abgeschlagenen Köpfe wurden auf Pfähle gespießt und im Triumph durch die Straßen von Sanaa, Taiz und Hodeida getragen.

Am 17. Februar 1948 wurde der greise König Yahya - als Imam auch geistliches Oberhaupt - bei einer Ausfahrt in Sanaa aus dem Hinterhalt durch einen Hagel von Maschinengewehrkugeln ermordet. Gleichzeitig kamen zwei seiner 16 Söhne und sein Premierminister Abdullah al-Amri bei dem Anschlag ums Leben. Anführer der Verschwörung war ein Sohn des Herrschers, Emir Ibrahim, der sich an die Spitze einer geheimen "Nationalen Befreiungsbewegung" gestellt hatte, deren Zentrale sich im britischen Aden befand. Zum neuen König wurde ein Schwiegersohn Yahyas ausgerufen, der das Vertrauen der Exil-Opposition und Großbritanniens genoss. Dieser kündigte radikale politische und soziale Reformen an, während Yahyas ältester Sohn Ahmed die nördlichen Stämme mobilisierte und ihnen für ihre Waffenhilfe reiche Beute versprach.

Mit mehreren tausend Wüstenkriegern marschierte Ahmed in Richtung Sanaa, drei Wochen herrschte im ganzen Land ein äußerst grausamer Bürgerkrieg, bei dem weniger gekämpft als gemordet und geplündert wurde. Am 13. März nahm Ahmed die Hauptstadt ein und seinen Schwager mit dessen Mitverschwörern gefangen. Nachdem er sich zum König proklamiert hatte, überließ er die "treulose" Stadt den Beduinenkämpfern, die tagelang raubend, vergewaltigend und mordend von Haus zu Haus zogen. Anschließend verlor Sanaa den Rang als Hauptstadt an Taiz, wo Ahmed fortan residierte. Mit den Verschwörern wurde ein beispielloses Strafgericht veranstaltet. Nach öffentlicher Folterung wurden sie enthauptet. Auch mehrere seiner Brüder, unter ihnen Emir Ibrahim, ließ der neue Monarch eines qualvollen Todes sterben. Ahmed, der im Volksmund den Beinamen al-Jinn ("der Dämon") bekam, setzte das autokratische Terrorregime seines Vaters fort, der das Land zwar in die Vereinten Nationen geführt, aber vollständig von der Außenwelt abgeriegelt hatte.

Im März 1955 kam es zu einem weiteren Umsturzversuch von Mitgliedern der Herrscherfamilie. Zwei Brüder des Königs, Abdullah und Abbas, und der Kommandant der Leibwache, Ahmed al-Salaya, verbündeten sich mit mehreren wichtigen Stammesführern, umzingelten den festungsähnlichen Palast in Taiz und zwangen Ahmed zur Abdankung. Abdullah erklärte sich zum neuen Herrscher und verzichtete - ganz gegen die Gepflogenheiten - darauf, seinen entthronten Bruder umbringen zu lassen. Er wollte nach eigenem Bekunden das völlig unzugängliche Land von der barbarischen Despotie befreien, aus der Isolierung herausführen und vor allem mit Hilfe Amerikas modernisieren.

Dann aber wiederholten sich die blutigen Vorgänge von 1948: Dem ältesten Sohn des abgesetzten Königs, Kronprinz Mohammed al-Badr, gelang es, im Norden des Landes eine Kriegerschar zu sammeln, mit der er Taiz eroberte. Das Strafgericht, das Ahmed nach seiner Befreiung abhalten ließ, war noch grauenvoller als sieben Jahre zuvor. Täglich wurde auf dem großen Platz von Taiz eine Gruppe von zum Tode Verurteilten enthauptet, die Köpfe der Hingerichteten auf Stangen im Triumphzug durch die Straßen getragen. Einem Fotografen gelang es, die Szenen heimlich aufzunehmen und die Bilder ins Ausland zu schmuggeln. Auch mit seinen Brüdern kannte Ahmed keine Gnade: Abdullah und Abbas wurden am 13. April exekutiert, ihre Söhne eingekerkert.

Im März 1961 entging König Ahmed in Hodeida, wo er mit großem Gefolge ein von der Sowjetunion geschenktes Spital eröffnen sollte, mit knapper Not einem Mordanschlag. Obwohl zahlreiche Schüsse auf seine Autokolonne abgegeben wurden, blieb er wie durch ein Wunder unverletzt, was in der Bevölkerung den Eindruck hervorrief, dass er unter dem besonderen Schutz Allahs stünde. In Hodeida wurden umgehend mehr als hundert Personen hingerichtet. Sämtliche Stammesführer wurden gezwungen, ihre ältesten Söhne an den Hof von Taiz zu schicken, wo diese als Geiseln für die Loyalität ihrer Väter gefangen gehalten wurden.

Al-Badr, der seinem Vater den Thron gerettet hatte, war der letzte jemenitische König. Trotz saudiarabischer Hilfe unterlag er nach einer Offiziersrevolte den von Ägypten unterstützten Republikanern unter Oberst Abdullah Sallal in einem verlustreichen Bürgerkrieg, der von 1962 bis 1967 dauern sollte. (APA)