Was passiert, wenn man von der MA 42 beim unerlaubten Gärtnern erwischt wird? Stadtgartendirektor Rainer Weisgram sieht es gelassen. "Wir werden sicher nicht überreagieren."

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"Für mich ist Guerilla-Gardening die Wiedergeburt des Bodens als gemeinschaftliches Eigentum." Roland Dunzendorfer arbeitet als Landschaftsplaner und ist vor drei Jahren zum sogenannten Guerilla-Gärtner geworden. In einem brachliegenden Privatgrundstück im zwölften Wiener Gemeindebezirk sieht er neben Unkraut und Baugrund die Möglichkeit, einen gemeinschaftlichen Garten anzulegen. "Ich plane hier nächstes Jahr ein Projekt. Vor dem Winter möchte ich den Boden noch auflockern, um im Frühling starten zu können." Das Grundstück ist nicht seines, wem es gehört und ob dort ein Bauprojekt geplant wird, weiß er nicht. Gerade wurden Bäume gepflanzt, die Chancen stehen also gut, dass er ein paar Saisonen ungestört graben, säen und ernten kann.

"Die unerlaubte Kultivierung von Land, das jemand anderem gehört" - so wird Guerilla-Gardening in Richard Reynolds Botanischem Manifest definiert. Das Buch des Briten gilt als Standardwerk des Untergrundgärtnerns. Die Idee stammt ursprünglich aus New York. In den 1970er-Jahren wurde einer Gruppe von Großstädtern das ewige Grau der Metropole zu trist. Auch politische Gründe - ziviler Ungehorsam - spielten eine Rolle. Heute findet man weltweit Gruppierungen, die sich unerlaubt um die Verschönerungen ihrer Heimatstädte kümmern. Besonders beliebt ist das innerstädtische Gärtnern dort, wo die offiziellen Stellen selbst wenig in die Begrünung investieren. Das sei unter anderem in London und Berlin der Fall, erzählt Dunzendorfer.

"Nicht überreagieren"

Die Wiener Stadtgärten beschäftigen zurzeit immerhin 900 fixe Mitarbeiter und 500 Saisonarbeiter. Wilde Gärten, die auf ihren Flächen angelegt werden, sind ihnen nicht entgangen. Auch private Grundstücke werden von Guerillas beackert. Dort können sie zum Beispiel auf Besitzstörung geklagt werden. Was passiert, wenn man von der MA 42 beim unerlaubten Gärtnern erwischt wird? Stadtgartendirektor Rainer Weisgram sieht es gelassen. "Wir werden sicher nicht überreagieren." Im Grunde sei es ja auch wünschenswert, dass sich Bewohner grün engagieren. Besser würden ihm aber die erlaubten Begrünungen von öffentlichen Flächen gefallen. So ein Pilotprojekt läuft zum Beispiel in Rudolfsheim-Fünfhaus. Bürger können dort eine Genehmigung bekommen, um kleine Flächen selbst zu gestalten. Die Stadtgärten stellen Profiwissen, Erde und manchmal auch Pflanzen zur Verfügung. "Dieses Modell kann ich mir als Vision für Wien in Zukunft vorstellen", sagt Weisgram.

Die Studentin und Guerilla-Gärtnerin Barbara Graf sieht diese "Institutionalisierung" kritisch. "Es wäre schön, wenn uns die Stadt die Flächen zur Verfügung stellen würde und wir sie selbst begrünen könnten. Allerdings nur, wenn wir dann auch wirklich frei entscheiden dürften, was damit geschieht." Eine Vorschrift der Stadtgärten, was wo gepflanzt werden dürfe, würde sie nicht interessieren. Graf gehört zu der Gruppe, die in der Nähe der Längenfeldgasse einen Guerilla-Garten angelegt hat. Dort wachsen zum Beispiel Spinat, Salbei und Radieschen. Man treffe sich zwar ab und zu, wirklich organisiert seien die Gärtner aber nicht. Der Großteil sei zwischen 20 und 30. Die Motivationen der Leute seien unterschiedlich: "Manche sind Hobbygärtner, andere kommen, um Leute zu treffen und sich auszutauschen." Kürzlich hätten zwei Jugendliche aus der Gegend gefragt, was denn hier passiere. "Jetzt treffe ich sie immer wieder beim Graben", erzählt Graf lächelnd. (Laura Petschnig, DER STANDARD; Printausgabe, 6.6.2011)