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Momentan hat er wenig zu lachen: Ernst Strasser

Foto: Reuters/Ebenbichler

Wien - Der Lobbyist Ernst Strasser hat - kurz nach seinem Rücktritt als Abgeordneter zum Europäischen Parlament am 24. März - Selbstanzeige bei der österreichischen Finanzbehörde erstattet - betroffen davon sind freilich mehrere Gesellschaften und Personen. Auslöser für die Anzeige sind laut dem Standard vorliegenden Informationen Firmenkonstruktionen, die rund um den ehemaligen Innenminister (2000 bis Dezember 2004) in den vergangenen Jahren errichtet wurden und bei denen - notabene: möglicherweise - noch steuerrechtliche Fragen auftauchen könnten.

"Kein Verdacht"

Strassers neuer Steuerberater, Michael Kotschnigg, will die Existenz von Selbstanzeigen weder bestätigen noch dementieren, er beruft sich auf seine Verschwiegenheitspflicht. Nur so viel sagt der Steuerberater, der lange beim Wirtschaftsprüfer Deloitte war und auf Rechtsdurchsetzung und Finanzstrafverfahren spezialisiert ist: "Strasser steht nicht im Verdacht, Geld genommen und Geld nicht versteuert zu haben. Er hat kein Problem mit der Finanz, und auch die Finanz nicht mit ihm."

Der Angelpunkt der offenbar vorsorglich eingebrachten Selbstanzeigen liegt in Niederösterreich, wo der gebürtige Oberösterreicher Strasser unter Landeshauptmann Erwin Pröll politisch sozialisiert wurde und lange für die ÖVP gewirkt hat. Niederösterreicher sind es denn auch, die Strasser bis Ende März steuerlich beraten haben. Wie berichtet war die Tullner Kanzlei Riedl, Pircher & Partner Strassers Steuerberatungskanzlei. Nach dem Aufpoppen von Strasses Brüsseler Lobbyisten-Problemen (Stichwort: "Cash für Law", die Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien ermittelt, Strasser weist die Vorwürfe zurück, und es gilt die Unschuldsvermutung) legte die Kanzlei alle Mandate mit Strasser zurück, wie Kanzleipartner Alfred Riedl im Standard kürzlich bestätigt hat.

Gut vernetzt

An diesem Punkt empfiehlt sich ein kurzer Schwenk zu den handelnden Personen: Steuerberater Riedl ist ein alter Bekannter Strassers und Bürgermeister in seiner Wahlheimatgemeinde Grafenwörth (nach Umwidmungen hat Strasser am Badeteich Jettsdorf ein Haus) und ÖVP-Landtagsabgeordneter. Er ist Vorsitzender des Finanzausschusses des Gemeindebundes und seit 2007 Präsident des Gemeindevertreterverbandes der ÖVP NÖ. Riedls Vernetzung im Land ist legendär. Von Selbstanzeigen wisse er nichts, so Riedl am Donnerstag.

Gerhard Pircher wieder, wie Riedl einst beim Wirtschaftsprüfer Deloitte, berät das Land mit seinen Gesellschaften wie der Communal & Business Consulting GmbH oder der NÖ. Gemeinde Beratungs & SteuerberatungsgesmbH. Sein Vater, Edwin, war einst Bürgermeister von Tulln und bis 1997 im Vorstand der Hypo NÖ. Pircher jun. war bis 31. März auch Chef von Deloitte NÖ. An dem Punkt soll sich dem Vernehmen nach ein Kreis zur Selbstanzeige schließen.

Denn Pircher war, wie berichtet, bis 13. April Alleineigner und Geschäftsführer der im Mai 2007 gegründeten GP Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH, seither gehört sie Strasser. Er nannte die Gesellschaft auf GP Unternehmensberatungs GmbH um; Pircher dürfte zuvor nur sein Treuhänder gewesen sein. Die GP, in die diverse Honorare des damaligen Beraters Strasser flossen, machte 2008 einen Bilanzgewinn von knapp 200.000 Euro, im Jahr darauf war es ungefähr gleich viel. Ausgeschüttet wurde der Gewinn nicht. Strasser hat übrigens noch andere Gesellschaften.

"Loch im Socken"

Beteiligt war die GP bis April auch an der defizitären Wiener Hofherr Communikation GmbH (ihre Tiroler Mutter machte Geschäfte mit der Tiwag). Ihr Gesellschafter Georg Hofherr hat sich vorige Woche von Strasser als etwaigem Miteigentümer distanziert. Am 31. Jänner 2008, 16.11 Uhr, war noch Nähe da. Der kinderlose Ex-Minister per vom Account bei VCP Energy Power (bis 2008 war er an der VCP-Gesellschaft beteiligt) gesandten Mail an Hofherr: "Ich nage am Hungertuch, die Banken sind mir auf den Fersen, die Frau friert zu Hause und die Kinder müssen Fensterkitt essen. Meine Socken haben auch schon ein Loch. Die Überweisung der Tiwag-Rechnung würde da wirklich helfen."

Pirchers Strasser-Connection (Pircher dementiert Probleme mit der Finanz) war seinen Partnern bei Deloitte unbekannt. Als sie im März aufkam, schied Pircher bei Deloitte aus. Zeitgleich, so heißt es, sei anhand der Firmenkonstruktionen und bisherigen steuerlichen Verantwortung der Betroffenen, die Entscheidung zu den "mehrere Personen und Gesellschaften betreffenden" Selbstanzeigen gekommen. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.6.2011)