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Cherif Bassiouni bezweifelt, dass systematische Massenvergewaltigungen stattgefunden haben.

Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Genf - Ein UNO-Ermittler hat die gegen libysche Soldaten erhobenen Vorwürfen systematischer Massenvergewaltigungen bezweifelt. Der UNO-Ermittler für Libyen, Sherif Bassiuni, sagte am Donnerstag, die Vorwürfe seien vermutlich Ausdruck einer "Massenhysterie". Sowohl in den von der Regierung kontrollierten Landesteilen als auch in den Rebellengebieten im Osten habe er die gleiche Geschichte zu hören bekommen: Verhütungs- und Potenzmittel seien an die Kämpfer verteilt worden, um massenhafte Vergewaltigungen als Kriegswaffe einzusetzen. Seine "Interpretation" sei, dass die libysche Gesellschaft im Moment der Verbreitung dieser Informationen "so verletzlich" gewesen sei, dass "sie eine Massenhysterie erzeugt" habe.

259 angebliche Fälle

Dennoch werde sein Ermittlerteam den Vorwürfen nachgehen, ebenso wie den angeblich 259 Fällen sexuellen Missbrauchs, denen eine Frau mittels einer Fragebogenaktion auf die Spur gekommen sein wolle, sagte der Ägypter. Die Frau will demnach 70.000 Fragebögen verschickt haben. Unter den 60.000 Rücksendungen sollen 259 Fälle sexuellen Missbrauchs dokumentiert gewesen sein. Allerdings sei seinen Ermittlern das Material niemals vorgelegt worden, sagte Bassiuni. Auch der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, Luis Moreno-Ocampo, bediene sich der Zahlen. Bassiuni bezweifelte jedoch, dass die Frau die Bögen ausgerechnet im März verschickt haben wolle, als das libysche Postwesen darnieder gelegen habe und die Kämpfe bereits in vollem Gange gewesen seien.

Moreno-Ocampo hatte zuvor Gaddafi vorgeworfen, Massenvergewaltigungen angeordnet zu haben

IStGH-Chefankläger Moreno-Ocampo hatte dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi am Mittwoch vorgeworfen, Soldaten zu Massenvergewaltigungen von Frauen angestiftet zu haben. Gaddafi habe zu diesem Zweck Viagra-ähnliche Potenzmittel einkaufen lassen. Zunächst habe er Zweifel gehabt, aber mittlerweile habe sich der Vorwurf erhärtet, sagte Moreno-Ocampo in New York. Es gebe entsprechende Berichte von Hunderten Frauen, die in einigen Gebieten Libyens angegriffen worden seien. Moreno-Campo fügte hinzu, dass er aufgrund der neuen Erkenntnisse möglicherweise eine weitere Anklage gegen Gaddafi erheben werde. Der IStGH-Ankläger erwartet in den kommenden Tagen eine Entscheidung zu dem von ihm beantragten Haftbefehl gegen Gaddafi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. (APA)