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In Europa gilt die Asiatische Tigermücke als Überträgerin des Dengue-Fiebers.

Foto: APA/Stephan Jansen

Es fängt wie so oft mit einem simplen Insektenstich an. Ein kleines Ärgernis, schnell vergessen. Wenn aber zwei bis sieben Tage später schweres Fieber ausbricht, kann das der Beginn einer potenziell lebensbedrohlichen Krankheit sein. Der Erreger: das Dengue-Virus. Es macht Hautausschlag, Schmerzen oder Schlimmeres.

Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO werden weltweit circa 50 Millionen Menschen jährlich mit dem Dengue-Virus infiziert. Die Zahl der Fälle habe sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch erhöht, heißt es von dort. Sowohl der Klimawandel als auch soziale und umwelttechnische Faktoren wie die zunehmende Urbanisierung gelten als mögliche Verursacher dieser negativen Entwicklung. Dengue wird nämlich nur von Stechmücken der Gattung Aedes übertragen, vor allem von Ae. aegypti und der sogenannten Tigermücke, Ae. albopictus. Beide Arten nutzen gerne alte Autoreifen, Plastikschüsseln, Eimer und andere Objekte, in denen sich Regenwasser ansammeln kann, als Brutstätte und können deshalb bestens in Städten gedeihen.

Dengue gilt als Krankheit der Tropen und Subtropen. Sie ist heute in mehr als 100 Ländern rund um den Globus verbreitet, Tendenz steigend. Die Karibik, Südamerika und Südostasien sind besonders stark von der Seuche betroffen, erklärt Heinrich Stemberger vom Wiener Institut für Tropenmedizin. "Thailand ist ein Epizentrum", betont der Facharzt. Es trifft somit auch Fernreisende aus Österreich. Über die Anzahl der Fälle gibt es hierzulande jedoch keine genauen Daten.

Folge des Klimawandels

Der Vormarsch des Dengue-Fiebers scheint kaum zu stoppen zu sein. Zum einen braucht das Virus eine gewisse Wärme, um sich in den Stechmücken - Fachleute bezeichnen diese auch als Vektoren - vermehren zu können. Die notwendigen Temperaturen treten infolge der globalen Erwärmung immer öfter und länger in immer mehr Gebieten auf. Des Weiteren vergrößern auch die Aedes-Moskitos ständig ihre Verbreitungsgebiete. Meist mit menschlicher Unterstützung, da die Insekten gerne auf Schiffen und sogar in Autos mitreisen. Die Plage verschafft sich so Zugang zu den Industrienationen. Wenn der Trend anhält, werden die Südstaaten der USA wahrscheinlich bald Dengue-Endemiegebiete, meint Stemberger. In Europa ist die Krankheit bereits im letzten Spätsommer angekommen. September 2010 meldeten die französischen Behörden die ersten zwei autochthonen Fälle von Dengue-Fieber in der Region um Nizza. Die Betroffenen hatten sich nachweislich nicht im Ausland infiziert. Kurz darauf traf es einen deutschen Urlauber. Er kehrte mit einer Dengue-Infektion von der kroatischen Insel Peljesac nach Hause.

Drei Fälle bisher, aber die Dunkelziffer könnte höher sein. Denn nicht jeder, der vom Dengue-Virus befallen wird, wird ernsthaft krank. Bei manchen sind es nur harmlose Symptome, ein leichter grippaler Infekt, andere spüren gar nichts.

Von Vorteil ist das indes nicht, wie Stemberger erklärt, denn Dengue-Viren gibt es in vier verschiedenen Serotypen. Wer eine Infektion mit einem davon überstanden hat, ist danach zwar gegen diese Variante immun, aber nicht gegen die restlichen drei - im Gegenteil. Kreuzreagierende Antikörper des Immunsystems scheinen bei einer weiteren Infektion mit einem anderen Dengue-Serotyp die Vermehrung der Virenpartikel sogar zu begünstigen. Schlimmstenfalls entwickelt sich dann beim Patienten das gefürchtete Dengue-Hämorrhagische Fieber (DHF). Dieses kann in bis zu 20 Prozent der Fälle tödlich verlaufen. Bei guter Behandlung beträgt die Sterblichkeit allerdings nur ein Prozent. Der Verstärkungseffekt hält mindestens fünf Jahre an. Solange sollten ehemals Infizierte nicht erneut in Dengue-Endemiegebiete reisen, sagt der Tropenmediziner.

Auch ohne DHF werden Dengue-Patienten von starken Schmer-zen in Kopf und Gliedmaßen geplagt. Dies hat der Seuche seinen alten Spitznamen "der Knochenbrecher" eingebracht. Stemberger warnt eindringlich davor, in solchen Fällen Aspirin oder andere acetylsalicylsäure-haltige Schmerzmittel zu schlucken. Der Hintergrund: Da die Viren oft auch das Knochenmark befallen, haben viele Betroffene gestörte Blutwerte. Es mangelt ihnen an weißen Blutkörperchen und vor allem an Thrombozyten, den Blutplättchen. Dadurch ist die Blutgerinnung erheblich gehemmt. Acetylsalicylsäure verstärkt dieses Problem. Man sollte also eher andere Schmerzmittel nehmen. "Paracetamol ist das ideale Mittel", so Stemberger.

Seit gut zwei Jahrzehnten arbeiten Forscher intensiv an der Entwicklung eines Impfstoffs, die ersten Versuche auf diesem Gebiet liegen sogar schon mehr als 70 Jahre zurück. Eine wissenschaftliche Herkulesaufgabe, weil das Vakzin gegen vier verschiedene Virentypen gleichzeitig wirken muss. Sonst würde eine Impfung geradezu die Bedingungen für einen schweren DHF-Verlauf schaffen. Medikamente zur akuten Bekämpfung des Dengue-Virus gibt es ebenfalls noch nicht. Die Krankheit muss von selbst ausheilen. Das kann wochenlang dauern. Während dieser Rekonvaleszenzzeit leiden die Patienten meist unter Schwäche und Antriebslosigkeit.

Bis tatsächlich ein wirksamer Impfschutz gegen Dengue-Fieber auf dem Markt ist, dürften noch Jahre vergehen. Prävention muss also noch vor der Infektion ansetzen - beim Vektor. "Wir können uns vorläufig nur auf den Mückenschutz verlassen", sagt Stemberger, "eine Klimaanlage ist fast so gut wie ein Moskitonetz." Die fliegenden Blutsauger können dann zwar ins Zimmer gelangen, doch die Abkühlung nimmt ihnen den Appetit. Statt zu stechen, hängen sie lustlos an der Wand herum, berichtet der Tropenmediziner.

Den besten Schutz in Klimaanlagen-fernem Areal bieten Permethrin-getränkte Netze. Permethrin ist ein hochwirksames Insektizid, welches praktisch nicht durch die menschliche Haut aufgenommen wird. Stemberger empfiehlt, sogar die Reisegarderobe mit Permethrin einzusprühen. Das halte die Moskitos wochenlang fern. Lange Hosen und Hemden würden dagegen nichts nutzen. "Da stechen die durch." (Kurt de Swaaf, DER STANDARD Printausgabe, 14.06.2011)