Die Geschichte von Helen, welche die Südtirolerin Maxi Obexer in ihrem Romandebüt erzählt, gehört in unsere Zeit. Eine Zeit, in der Flüchtlinge als politisches Druckmittel benutzt werden und österreichische Landtage Soldaten an der heimischen, alles andere als überrannten Grenze fordern. Einer Zeit, in der die Angst vor dem, was draußen ist, die Innenpolitik dominiert und dieses Äußere zugleich allzu oft gesichtslos und im Dunkeln bleibt. Die 1970 geborene Autorin entzündet hier ein Streichholz.

Obexer, die für ihr Buch mit zahlreichen Flüchtlingsfrauen gesprochen hat, bedient sich hierzu einer unkonventionellen Erzählstruktur. Zwischen dem zunächst größtenteils aus der direkten Rede zwischen der jungen Nigerianerin Helen und ihrem Begleiter Benjamin bestehenden Erzähltext sind immer wieder Briefe eingeflochten, in denen Helen ihren Verwandten berichtet, wie sie dem großen Ziel Europa immer näher kommt.

Darin formt sie die harte Wahrheit jedoch zu einer schöneren Parallel-Realität. In dieser wird die mit dem Wort strapaziös nur unzureichend beschriebene Irrfahrt zu einer abenteuerlichen Reise voller glücklicher Fügungen. Dies sind die titelgebenden Momente, Wenn gefährliche Hunde lachen.

Mit dem Fortschreiten der Erzählung nehmen diese unzuverlässigen Berichte zu, führt Helen in ihren Schreiben ein Alter Ego namens Grace ein. Der mittlerweile ihrer Habseligkeiten und Würde Beraubten dienen die Einträge nun kaum mehr der Kommunikation mit den Hinterbliebenen, sondern vielmehr der persönlichen Bewältigung der Ereignisse.

Menschliche Ware

In Tanger, wo Helen versteckt einer Möglichkeit zur Überfahrt harrt, nimmt die Erzählung ihren Ausgang. In Rückblenden erfährt man, wie sich Schlepper und korrupte Polizisten die ihnen ausgelieferten Flüchtlinge immer wieder in die Arme treiben - so lange, bis kein Geld mehr aus der menschlichen Ware zu gewinnen ist. Allzu oft bedeutet dies den Tod im Wüstensand, in Helens Fall den Weg in die Prostitution.

Dabei treibt die junge Frau keine immanente Gefahr nach Europa. Es ist das Streben nach einer freien Lebensgestaltung, das sie alle Strapazen in Kauf nehmen lässt. Zudem keimt in der Hoffnungsträgerin ihrer Familie immer mehr der Wunsch, die Welt über die realen Missstände in Afrika aufzuklären, als Journalistin ein Sprachrohr der Armen des Schwarzen Kontinents zu sein.

Als Helen am eigenen Leib erfährt, dass man in Spanien oder Deutschland kein Interesse an ihrer Geschichte hat, trifft sie dies entsprechend hart. Nicht nur erlebt sie, als sie in einem überfüllten Flüchtlingsboot endlich in Europa landet, wie keiner der anwesenden Reporter und Lokalpolitiker den direkten Kontakt mit den Gestrandeten sucht. Im Lager muss sie zudem von ihren Schicksalsgenossen lernen, dass sie sich mit ihrer wahren Geschichte keine Hoffnung auf ein Flüchtlingsvisum zu machen braucht.

So sieht man am Ende des so schmalen wie intensiven Bandes einer Frau in die Augen, deren Hoffnung bis auf ein Häufchen Wüstenstaub zermahlen wurde. Es bedarf nur noch eines Windhauchs, bis auch dieser kleine Rest für immer verweht ist. (Dorian Waller, DER STANDARD/Printausgabe 11./12./13.5.2011)