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Was wollen sie uns als Nächstes verleiden? Die Hunde? Gar den Wein? Vassilakous und Glawischnigs Feldzug gegen Rad-Rowdies und Raucher regt selbst Grüne auf.

Foto: Reuters/Foeger

Wien - "Mich hat's aus den Schuhen gehoben": Volker Plass muss die Idee der eigenen Parteichefin erst einmal verdauen. Zigarettenautomaten will Eva Glawischnig verbieten, um Kids vom Rauchen abzuhalten. Plass stört daran nicht nur, dass der Vorschlag nicht mit ihm, dem Chef der grünen Wirtschaft, abgesprochen war. "Prohibition hat noch nie ein Drogenproblem gelöst", meint er, und: "Es handelt sich um ein Nebenthema vom Nebenthema, mit dem die Grünen extrem dirigistisch und lustfeindlich rüberkommen."

"Ihr wollt's immer alles verbieten", laute der Generalvorwurf aus dem Wahlvolk, erzählt Plass. Er ist nicht der einzige Funktionär, der Klagen über "Regulierungswut" und "Puritanismus" der Grünen zu hören bekommt - wofür die Parteispitze derzeit reichlich Anlass bietet: Während Glawischnig Automaten abmontieren will, fordert Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou einen Knigge für Radfahrer und denkt Nummerntafeln an. "Da könnte man genauso gut Hunden Taferln umhängen", spottet Plass: "Das ist ein Schuss ins Knie - und die beste Methode, um den Radverkehr zu halbieren."

So mancher Grüne gerät mit seinem Lebensentwurf selbst schon ins Visier des Führungsduos. Altparteichef Alexander Van der Bellen etwa, der bis heute ein bis zwei Schachteln Chesterfield am Tag qualmt, über Glawischnigs Kampf gegen das Rauchen: "Das ist nicht mein Ding. Das hat den Touch des Illiberalen. Die Frage ist: Wo geht das hin? Will man als Nächstes das Weintrinken verleiden? Weil es vielleicht mehr gefährliche Alkoholiker als gefährliche Raucher gibt?" Seine Empfehlung an die Nachfolgerin: "Ich würde sagen, das mit dem Nichtrauchen bräuchte man nicht zur Chefsache erklären und dem Ganzen so eine zentrale Bedeutung beimessen."

Karl Öllinger wiederum gilt nach Vassilakous Ansicht als Fahrrad-Rowdy, denn: "Ich fahre auch öfter am Gehweg - obwohl ich weiß, dass es verboten ist. Aber ich bin einfach nicht bereit, wegen einer Einbahn einen kilometerlangen Umweg zu machen!"

Konkret will die Wiener Vizebürgermeisterin Rotlicht-, Zebrastreifen- und eben Gehsteigradlern wie Öllinger auch mit der Polizei auf den Leib rücken. Der grüne Sozialsprecher hält dagegen: "Unser Grundsatzprogramm prägen Begriffe wie 'Freiheit' und 'Autonomie' - aber in den Niederungen der Alltagspolitik greifen wir anscheinend sehr schnell auf Problemlösungen zurück, die dazu im Widerspruch stehen und nicht reflektiert sind."

Beim Knigge gehe es darum, Fairnessregeln festzuschreiben, verteidigt sich Vassilakou. In Wien komme es an einigen Knotenpunkten ständig zu Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahrern. Die grüne Rathaus-Truppe ist vom Ansinnen ihrer Chefin jedoch auch mäßig begeistert. "Also, ich als Radler brauche sicher keinen Knigge!", erklärt Verkehrssprecher Rüdiger Maresch.

Öllinger gibt außerdem zu bedenken, dass die Grünen jahrelang für eine Entkriminalisierung weicher Drogen standen, angesichts des aktuellen Feldzuges gegen das Rauchen "bleiben da für die Wähler jetzt viele Fragezeichen übrig", ist er sich sicher. Böse Reaktionen von Wählern gebe es bereits genug. Heftige Diskussionen in der Partei sowieso.

Auch Daniela Musiol, Familien- und Verfassungssprecherin, ist mit Glawischnigs Vorstoß "nicht sehr glücklich", wie sie sagt. "Ich glaube, dass gerade die Grünen andere Ansätze finden müssen, als alles, was uns nicht gefällt, zu verbieten. In der Suchtprävention gibt es andere Ansätze, als mit Verboten zu operieren. Es gibt auch eine Eigenverantwortung der Menschen - und die muss gestärkt werden."

Ja nicht einmal Gesundheitssprecher Kurt Grünewald freut die Automatenjagd: "Jubeln kann ich darüber nicht." Jugendschutz sei gut und wichtig, "doch bei den Grünen hat die Autonomie des Menschen einen hohen Stellenwert", sagt auch er. Der Staat solle seinen Bürgern nicht alles vorschreiben, schon gar keinen "mönchischen Lebensstil", meint der Gesundheitssprecher, der selbst raucht. Gescheiter wäre es, die Tabakpreise noch einmal anzuheben: "Ich will auch nicht, dass Jugendliche zum Karlsplatz-Dealer müssen, um Zigaretten zu kaufen."

Obwohl Van der Bellen ebenfalls marktwirtschaftliche Instrumente empfiehlt, um schädliches Verhalten einzudämmen, hält der Exchef von einer Erhöhung der Tabaksteuer jedenfalls nichts. VdB trocken: "Denn ich registriere, ich bin mit dem Rauchen schon gestraft genug." (jo, stem, völ, nw, DER STANDARD; Printausgabe, 15.6.2011)