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Heute noch am Hallstätter See - morgen schon ...

Foto: APA/Barbara Gindl

Linz  - Der Weltkulturerbe-Ort Hallstatt im oberösterreichischen Salzkammergut soll in der chinesischen Provinz Guangdong für ein Wohnprojekt eins zu eins nachgebaut werden - inklusive See. "Man kann das doch nicht machen, ohne die Behörden oder die Eigentümer der Häuser zu fragen", wird Bürgermeister Alexander Scheutz (SPÖ) in einem Bericht der "Presse" zitiert. Er hat sich an Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) und die Behörde gewandt, die das Weltkulturerbe verwaltet.

"Ich bin erstaunt, aber nicht empört", sagt Scheutz. Dass ein derartiger Plan im Gange war, habe er gewusst. Dass es aber schon detailgenaue Zeichnungen vom Projekt gebe, sei eine Überraschung gewesen. Als Ortsvorsteher sieht Scheutz die Angelegenheit nicht sehr dramatisch. Die Gemeinde erhofft sich sogar ein Umsatzplus: "Ich glaube, dass es ein Tourismusmotor werden könnte." Dass Architekten aus China den Baustil "ausspioniert" haben sollen, sei nie aufgefallen: "Wir haben jährlich bis zu 800.000 Tagesgäste, die alles und jeden fotografieren." 

Seitenverkehrte Kopie

Die Beliebtheit und Bekanntheit soll für ein Wohnprojekt in der aufstrebenden, reichen Provinz Guangdong in der Nähe der Stadt Huizhou genutzt werden. Nachgebaut wird die evangelische Kirche, das Hotel "Grüner Baum", der Marktplatz mit seinen umgebenden Häusern, die Dreifaltigkeitssäule, der Badergraben und sogar der Hallstätter See - der allerdings nicht maßstabsgetreu. Die seitenverkehrte Hallstatt-Kopie soll Geschäfte, Restaurants und Freizeitbetriebe beherbergen, rundum entstehen Ein- und Mehrfamilienhäuser in luxuriösem Stil. Über den Stand des Projekts gibt es unterschiedliche Angaben, laut einigen Aussagen soll der Baubeginn noch heuer erfolgen.

Für Juli hat sich eine Abordnung aus China angesagt, die über eine "Kooperation" reden möchte, wie es bei der Vereinbarung des Treffens hieß. Von einem identen Nachbau Hallstatts war damals keine Rede. Scheutz: "Wir werden sehen, was dabei herauskommt."

Gemischte Reaktionen

Die Reaktionen auf das Projekt fallen höchst unterschiedlich aus: Monika Wenger, Eigentümerin des Seehotels "Grüner Baum", hat ein "unangenehmes Bauchgefühl". Zu wissen, dass zwei oder drei Jahre lang immer wieder Menschen im Ort herumgelaufen seien und die Häuser fotografiert hätten, hinterlasse einen Eindruck "ein bisschen wie wenn jemand eingebrochen hat". Andererseits finde sie es ehrenhaft, dass Hallstatt es wert sei, kopiert zu werden. "Es ist eine zweischneidige Geschichte."

Sie werde keine konkreten Schritte gegen das Projekt unternehmen, so Wenger, um die rechtlichen Belange sollen sich Gemeinde und Land kümmern. Allerdings: "Man hätte uns einbeziehen können", findet sie. Die Betroffenen sollten wissen, was vorgeht. Daher habe sie sich an die Medien gewandt, als sie von den chinesischen Plänen erfahren habe.

Für Sepp Zauner, Wirt des betroffenen gleichnamigen Gasthofs im Ortszentrum, ist es bereits das zweite Mal, dass sein Haus im asiatischen Raum kopiert wird: Sein Gasthof sei vor mehr als 20 Jahren schon einmal in Sapporo in Japan nachgebaut worden, ist er stolz. Damit, dass Gebäude abgezeichnet wurden, hat er kein Problem: "Ja, wie oft unser Haus fotografiert wird...". Da störe ihn das "diktatorische" Vorgehen von Denkmal- und Naturschutz schon wesentlich mehr. Die Pläne des Denkmalamtes, das rund 150 Gebäude - darunter zahlreiche Privathäuser - in Hallstatt unter Ensembleschutz stellen wollte, sind nach heftigen Protesten von Bürgern, die sich in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt fühlten, vorerst vom Tisch. 

Thema Gotteshäuser

"Hallstatt ohne Kirchen ist nicht Hallstatt", betonte der katholische Pfarrer Richard Czurylo. Aber er hält das Kopieren eines Gotteshauses als Attraktion für bedenklich. In das selbe Horn stößt sein evangelischer Amtskollege Iven Benck: "Es hängt davon ab, wie die Kirche präsentiert wird. Ich würde mir wünschen, dass zumindest die Funktion des Gebäudes erklärt wird."

Hallstatt mit dem charakteristischen Spitzturm der evangelischen Pfarrkirche direkt am See, oder das katholische Gotteshaus eingebettet im historischen Häusermeer - beide Bauten ziehen Touristen-Massen in den Salzkammergut-Ort. Zum Leidwesen der Geistlichkeit: "Immer wieder kommen während der Messen Menschen kurz in die Kirche, gehen umher und ziehen wieder weiter", schilderte Benck die Lage. Ähnliches erzählte Pfarrer Czurylo. Nur wenige verharrten zumindest einige Minuten im Gebet. Man habe aber mit dem Umstand leben gelernt: "Man gewöhnt sich dran", sagten beide.

Dass jetzt chinesische Architekten Gotteshaus-Kopien nach China holen wollen, löst gehöriges Unbehagen bei den Geistlichen aus: "Für Touristen sind es vielleicht Kunstwerke. Für uns sind es Bauwerke zur Ehre Gottes, und die sollen sie auch bleiben", sagt Czurylo. Wenn man ein solches Gebäude aufstelle, sollten sich Menschen zumindest fragen, was der Sinn war oder ist. Ähnlich denkt der evangelische Pfarrer Benck: "Es hängt für mich ab, wie es präsentiert wird. Wenn ich nur ein Museum daraus mache, dann geht es einfach an der Sache vorbei. Es muss ein Ort des Gebets bleiben oder zumindest soll man darauf in China dann hinweisen."

Werbefaktor

Ein "Geschenk" ist der geplante Hallstatt-Nachbau indessen für die Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Dachstein-Salzkammergut, Pamela Binder. Es sei eine "tolle Werbung", denn eine flächendeckende Bearbeitung des immer wichtiger werdenden chinesischen Marktes wäre aus finanziellen Gründen gar nicht möglich, wie sie erklärte.

"Sie hätten ja auch das Riesenrad nehmen können", freut sich Binder darüber, dass der Welterbe-Ort in Fernost so viel Anklang findet. Dass die Gäste durch die Kopie davon abgehalten werden, nach Österreich zu kommen, glaubt sie nicht: "Wenn ich mir den Eiffelturm im Minimundus ansehe, heißt das auch nicht, dass ich ihn in echt nicht mehr besichtige." Ganz im Gegenteil, nach dem asiatischen Motto, nicht das Gesicht zu verlieren, sei es für die Menschen wichtig, das Original besucht zu haben, erwartet sie. (APA/red)