Wien - Die Verfassungsrichter haben die Kursgewinnsteuer ("Wertpapier-KESt") am heutigen Mittwoch erstmals in einer öffentlichen Verhandlung geprüft. Insgesamt 14 Banken hatten eine Individualbeschwerde gegen die Steuer beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingereicht. Sie kritisieren, dass ihnen eine Abzugspflicht für eine "fremden Steuer" auferlegt werde, die Frist für die Umsetzung zu kurz und die Kosten zu hoch seien. Die Bundesregierung bezweifelt allerdings die Kostenschätzungen der Banken und hat eine Ausweitung der Umsetzungsfrist um sechs Monate auf den 1. April 2012 in Aussicht gestellt. Ein Urteil wurde heute noch nicht gefällt. Es soll entweder mündlich oder schriftlich erfolgen, sagte VfGH-Präsident Gerhard Holzinger am Ende der Verhandlung.
Im Zuge der Neuregelung der Kapitalertragssteuer wurde die Erfassung von Kursgewinnen gesetzlich per 1. Jänner 2011 vorgesehen Die 25-prozentige Steuer selbst wird - mit Aufgabe der bisherigen Spekulationsfrist - ab Oktober 2011 von den Banken bzw. Fondsgesellschaften eingehoben und an die Finanz abgeführt. Das bedeutet, die Verkaufsgewinne von Wertpapieren, die heuer gekauft wurden und nach dem 1. Oktober verkauft werden, sind dann von dieser neuen Steuer erfasst. Vorher gilt noch die alte Spekulationsfrist. Besteuert werden realisierte Kursgewinne von Aktien, Anleihen, Wertpapier- und Immobilienfonds sowie Derivaten.
Kosten strittig
Bei der öffentlichen Verhandlung unter regem öffentlichen Andrang wurden von den beiden Parteien - den Banken und der Bundesregierung - noch einmal die verfassungsrechtlichen Argumente ausgetauscht. Stephan Denk, Rechtsanwalt der Banken, kritisierte, dass den Banken eine Abzugspflicht für fremde Steuern auferlegt würde. Für die von der Bank geschätzten Millionenkosten für die Umsetzung (261 Mio. Euro) und den laufenden Betrieb (55 Mio. Euro) würden die Geldinstitute keinen Kostenersatz erhalten, sagte er vor den Höchstrichtern. Außerdem sei das verfassungsrechtliche Effizienzgebot verletzt, da die Steuereinnahmen in keiner Relation zu den Kosten stehen würden.
Darüber hinaus sei keine "haftungssichere" Umsetzung der Kursgewinnsteuer in den ersten neun Monaten 2011 möglich, argumentierte Denk weiter. Die Geldinstitute befürchten, bei einer unrichtigen Berechnung der Kursgewinnsteuer seitens der Kunden auf dem zivilrechtlichen Weg in die Pflicht genommen zu werden. Diese Gefahr sei deshalb so groß, weil das Gesetz die Anforderungen ihrer Meinung nach "nicht hinlänglich genau" festgelegt hätte. Außerdem mussten die Banken bereits einen Tag nach dem Inkrafttreten des Gesetzes bestimmte Daten speichern, so Denk weiter. Dazu seien die bestehenden EDV-System 24 Stunden nach der gesetzlichen Verpflichtung aber nicht in der Lage gewesen. So könnte etwa bei Namensänderungen der Emittenten die historischen Anschaffungskosten nicht mehr richtig zugeordnet werden, brachte Denk ein Beispiel. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer "überfallsartigen" Vorgehensweise.
Wenig Verständnis für die Vorbringen der Banken zeigte dagegen Gunter Mayer aus dem Finanzministerium, der die Bundesregierung vor dem Höchstgericht vertrat: Die Banken würden behaupten, "dass sie etwas nicht könnten, was jeder Gemüsehändler am Naschmarkt kann", sagte er bezüglich der Speicherung der Anschaffungskosten. Ihm zufolge müssten die Banken lediglich zwei Dinge speichern, das Wertpapier und die Anschaffungskosten. Er zückte einen eigenen Bankenauszug über den Erwerb von Aktien, auf dem die notwendigen Informationen vermerkt wären.
Auch die Kostenschätzung der Banken werden von Mayer bezweifelt: Die Bundesregierung habe im Zuge der Begutachtung der Frist eine Studie in Auftrag gegeben, derzufolge die einmaligen Kosten zwischen 90 und 100 Mio. Euro, die laufenden Kosten rund 20 Mio. Euro betragen sollen. Bei der Bundesregierung gehe man davon aus, dass die Banken die Komplexität des Gesetzes überschätzt hätten und daher auch zu den deutlich höheren Kosten kämen. Dem Finanzministerium wurden heuer im Februar elf offene Fragen seitens der Banken übermittelt, die man gemeinsame diskutiert hätte, so Mayer. Innerhalb von zwei Wochen wurden die Fragen aus Sicht des Ministeriums beantwortet. (APA)