Bild nicht mehr verfügbar.

Mit insgesamt drei Rücktrittsdrohungen musste Bundeskanzler Gerhard Schröder seine Sozialdemokraten auf die Reformlinie Agenda 2010 zwingen

Foto: REUTERS/Alexandra Winkler

Vor der Sitzung des SPD-Vorstands am Montag steuerte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder zielstrebig die Mikrofone der Journalisten an: Er gehe davon aus, dass er eine breite Mehrheit für sein Reformprogramm auf dem Parteitag am 1. Juni bekomme. "Das ist auch notwendig, wenn ich meine Arbeit tun soll", sagte Schröder. "Placebo für die Parteilinke" werde es nicht geben.

Während der Sitzung erneuerte Schröder seine Drohung: Wenn die Debatte um die Reformen so weitergehe, müsse ein anderer sein Amt übernehmen. Nach dem Abstimmungsergebnis im Vorstand mit 40 Mitgliedern - Annahme bei fünf Gegenstimmen und zwei Enthaltungen - wandte sich Schröder direkt an die parteiinternen Kritiker "vor allem im Parlament": Die Agenda 2010 sei Arbeitsgrundlage "für diese Regierung", wer diese Grundlage der Regierung entziehe, "muss mit den Konsequenzen leben". Die rot-grüne Mehrheit im Bundestag beträgt vier Stimmen. Bei der ersten Abstimmung im Vorstand Ende April hatte es vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen gegeben.

Wie Schröder vor Journalisten betonte, werde die Agenda 2010 "nicht verwässert". Es gebe nur Änderungen bei Details. Für die SPD-Linke sagte Andrea Nahles, es werde eine Übergangszeit bei der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe von zwei Jahren geben.

Am Widerstand des SPD-Chefs scheiterten damit Versuche, weiter gehende Zugeständnisse an die Agenda-Kritiker in Anträge für den Sonderparteitag am 1. Juni zu integrieren. Am Montagmorgen hatte Fraktionschef Franz Müntefering Überlegungen bestätigt, Reiche und Unternehmen stärker zur Finanzierung des Sozialstaats heran zuziehen. Es sei an eine Besteuerung von Kapitalerträgen und höhere Belastungen für große Erbschaften gedacht.

Diese Überlegungen sind nun in einem "Perspektivantrag" für den regulären Parteitag im November enthalten. Dabei gehe es um "mittel- und langfristige Debatten", betonte Schröder und fügte hinzu: Er warne davor, diese Initiativen "überzubewerten". Zuvor hatten Mitglieder der SPD-Linken, wie Vizefraktionschef Gernot Erler, die kolportierten Zugeständnisse als "Zugehen" auf die Kritiker begrüßt. Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Ursula Engelen-Kefer, sah dies ähnlich, betonte aber gleichzeitig, sie halte nach vor vor Änderungen an den Reformen für "unbedingt erforderlich". (DER STANDARD, Printausgabe, 20.5.2003)