Paris - Mehr als 150.000 französische Demonstranten, darunter viele Lehrer, sind am Montag in Paris, Marseille, Toulouse oder Nantes auf die Straße gegangen. In vielen Städten blieben Schulen und Postämter geschlossen, in Krankenhäusern war der Betrieb gestört. Wegen der Streiks wurden in Toulouse und Perpignan die Matura-Prüfungen verschoben.

Die Streikenden fürchten nicht nur eine Kürzung ihrer Pensionen sondern auch um ihre Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Nach dem Erfolg des landesweiten Streiks am vergangenen Dienstag haben die Gewerkschaften für den kommenden Sonntag zu einem weiteren nationalen Aktionstag aufgerufen. Am Mittwoch nächster Woche will das Kabinett den Gesetzentwurf beschließen, der eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit vorsieht. Einige Gewerkschaften haben bereits unbefristete Streiks bei der Staatsbahn SNCF für den Fall angekündigt, dass die konservative Regierung den Plan nicht noch einmal grundlegend überarbeitet.

Niveau der Schulbildung gefährdet

Die Lehrer sehen wegen geplanter Reformen im Bildungswesen auch das Niveau der Schulbildung gefährdet. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben Lehrkräfte in einigen Städten Abitur- und andere Abschlussprüfungen verhindert. Erziehungsminister Luc Ferry kritisierte die Lehrer dafür, die Abiturienten für ihre Zwecke "in Geiselhaft zu nehmen".

Unterdessen hat die stellvertretende Direktorin für Beschäftigung und Soziales in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Martine Durand, am Montag bei einer Pressekonferenz in Paris erklärt, die von Frankreichs Sozialminister Francois Fillon (UMP) in die Wege geleitete Reform der Alterspensionen gehe "in die richtige Richtung". Sie sei allerdings noch unzureichend, um eine Rente nach dem Prinzip der Umverteilung auch künftig finanzieren zu können, so Durand.

Frühpensionierungen

"Das Wichtigste für Frankreich wäre es, jede Form der finanziellen Unterstützung von Frühpensionierungen abzuschaffen", betonte Durand und erinnerte daran, dass Frankreich mit nur 36 Prozent eine der schwächsten Beschäftigungsraten in der Altersspanne zwischen 55 und 64 Jahren hat. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 48 Prozent. "In diesem Bereich muss sich das Verhalten der Unternehmen, der Beschäftigten und der öffentlichen Behörden ändern", meinte die OECD-Expertin.

"Wir brauchen in Zukunft mehr erwerbstätige Personen, um das Gewicht der zahlreicheren Pensionisten zu ertragen", betonte der Chef der OECD-Abteilung für die Analyse struktureller Politiken, Willi Leibfritz. Laut OECD wäre dagegen eine Anhebung der Sozialabgaben zur Finanzierung der Rentenkassen nicht zweckmäßig, um das gegenwärtige Pensionssystem auch nach 2020 finanzieren zu können. (APA/dpa)