Einen Streiktag, eine Gewerkschaftsgroßdemo, einige Umfragen über den breiten Unmut über die Pensionsreform und einen Vorstoß von Vizekanzler Herbert Haupt beim Bundespräsidenten hat es gebraucht, um Kanzler Wolfgang Schüssel zur Einsicht zu bringen: Nicht einmal er kann Pensionskürzungen gegen den Widerstand aller beschließen lassen. Also versammelte der Kanzler die Sozialpartner am Montag bei sich am runden Tisch und vereinbarte gleich eine nächste Gesprächsrunde für Mittwoch.

Damit hat Schüssel vorerst einmal Zeit gewonnen: Solange geredet wird, wird nicht gestreikt - so weit sind die sozialpartnerschaftlichen Reflexe noch intakt. Zudem hat Schüssel der Gewerkschaft mit der Einladung zu Gesprächsrunden ein Argument für ihre Kampfmaßnahmen genommen - dass sie ja auf die Straße gehen muss, weil ihr sonst niemand zuhört. Mit dem Aneinanderreihen von runden Tischen bindet Schüssel die Sozialpartner zumindest formal ein, erfüllt die im konfliktscheuen Österreich geliebte Erwartung des Miteinanderredens, nimmt etwas Druck aus der Pensionsdebatte - und kann darauf hoffen, dass die Achse der Sozialpartner am Tisch bröckelt.

Nur: Bisher ist die Wiederaufnahme der Gespräche das einzige Ergebnis der runden Tische - inhaltlich ist Schüssel kein Jota von seinen Pensionsplänen abgewichen. Den Beweis, dass die Tischrunden als Verhandlungen ernst gemeint sind und nicht nur als Ablenkungsmanöver vom breiten Widerstand gegen die Pensionskürzungen dienen sollen, ist der Kanzler bisher schuldig geblieben.

Mit ein paar unverbindlichen Plauderrunden werden sich die Widerstände von Gewerkschaft und Koalitionspartner FPÖ gegen die Pensionsreform nicht sehr lange niederreden lassen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 20.5.2003)