Rund 190.000 Studierende wählen dieser Tage ihre Standesvertretungen an den heimischen Universitäten, pädagogischen Akademien und Privatuniversitäten. Die Hochschülerschaftswahlen haben, als demokratischer Akt betrachtet, allerdings schon mehr Nachfrage gehabt. Seit den 70er-Jahren geht die Beteiligung kontinuierlich zurück, und die Zeiten, wo 77 Prozent der Inskribierten zu den Urnen gingen, sind lang vorbei. In den heißen 60er- Jahren, als sich die Studentenbewegung über den universitären Raum hinaus gesellschaftspolitisch Gehör verschaffte, lag die Wahlbeteiligung regelmäßig deutlich über der 60-Prozent-Marke. Der Rückgang setzte 1971 ein, und zwar rapide: Bis 1975 sank die Beteiligung auf unter 40 Prozent und überschritt diesen wert seither nicht mehr. Im Gegenteil: Das absolute Minus wurde 1999 erreicht, als lediglich 27,53 Prozent der Studierenden ihre Stimme abgaben.

Sicherlich hat die geringe Wahlbeteiligung auch mit der rasant angewachsenen Zahl der Studierenden zu tun, die sich seit 1946 versiebenfacht hat. Ein weiterer Grund für die sinkende Lust der Studierenden, wählen zu gehen, dürfte in der - höflich ausgedrückt - äußerst geringen Durchsetzungskraft ihrer Interessenvertretung liegen, die sich zuletzt in der Auseinandersetzung um die Einführung von Studiengebühren nicht eben mit Ruhm bekleckern konnte. Dass die diversen Parteien der Hochschülerschaft als Vorfeldorganisationen der Parlamentsparteien nicht ernster genommen werden, liegt wohl auch an dieser mangelnden Artikulationsfähigkeit.

Dabei gäbe es gerade jetzt genug Arbeit für gestandene Jungpolitiker an den Unis. Bei den hohen Schulen ist kein Ende der Finanznot in Sicht. Bei der geplanten Reform der Studienförderung soll der Stundennachweis fast verdoppelt werden, was für Teilzeitstudierende de facto unmöglich macht.

Offiziell ständig dementiert, aber von hartnäckig anhaltenden Gerüchten genährt, plant das Bildungsministerium auch eine Weiterentwicklungen des bisherigen Studiengebührensystems. Konkret sollen, so die Befürchtungen vieler Studierendenvertreter, die Gebühren für die Unis freigegeben werden.

Angst vor Gebühren

"Der Logik des herrschenden Systems folgend, liegen neue Studienbeschränkungen auf der Hand", sagt die scheidende ÖH-Chefin Andrea Mautz im Gespräch mit dem Standard. Entweder komme die Freigabe der Gebühr oder neue Zugangsbeschränkungen, ist sie überzeugt. Mautz: "Es ist jetzt schon absehbar, dass die Studienbedingungen crashen werden. Die Bundesregierung wird das dann als Argument für neue Maßnahmen missbrauchen." Dass Bildungsministerin Elisabeth Gehrer die Freigabe der Gebühren dementiert hat, spräche nicht dagegen. "Gehrer hat auch lange die Einführung der Studiengebühren bestritten", meint die zweite ÖH- Chefin Anita Weinberger.

Am deutlichsten formulierten es die grünen Studentenvertreter: Für sie konkretisieren sich schon die Pläne über die Freigabe der Studiengebühren und die Einführung des Numerus Clausus. Dass sich auch die Universitätsprofessoren darüber ihre Gedanken machen, belegt ein Sitzungsprotokoll des Gründungskonvents der Salzburger Uni vom Jänner. Darin berichtet Professor Albert Duschl von Gesprächen mit Vertretern des Wissenschaftsministeriums, in denen sehr konkret über einen weiteren Ausbau der Studiengebühren nachgedacht wurde.

. . . und andere Sorgen

"Die Universitäten sollten auch autonom sein bei der Festlegung der Höhe der Studiengebühren und bei der Auswahl ihrer Studierenden", heißt es im Protokoll. "Das wurde vom Ministerin Gehrer schon dementiert", sagte Duschl auf Anfrage des Standard. Das echte Problem liege nicht darin, ob die Unis die Höhe der Studiengebühren selber festlegen dürfen oder nicht, sondern darin, "dass wir das Geld auch endlich in die Hand bekommen", so Duschl. Denn nur so könnten die Unis auch die Verbesserungen finanzieren, zu denen sie per Universitätsorganisationsgesetz (UOG) verpflichtet sind.

Ein Run zu den Urnen konnte am ersten Tag der Wahl, am Dienstag, aber trotz der wilden Gerüchte nicht verzeichnet werden. Sie sei "normal" angelaufen, hieß es seitens der Studierendenvertreter. An der Uni Wien sei die Zahl "wie erwartet", hieß es, und etwa mit dem Vorjahr vergleichbar, was durch die geringere Zahl an Wahlberechtigten schon ein Plus gegenüber 2001 wäre. Wie an den meisten anderen Unis versuchen die einzelnen Fraktionen und Studienrichtungsvertretungen noch die letzten Reserven zu mobilisieren, bis vor die Wahllokale drängen sich noch improvisierte Stände und Folderverteiler. An der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien verlief der erste Vormittag eher ruhig, die Montanuniversität Leoben meldete, man bewege sich bezüglich der Wahlbeteiligung "eher im Schnitt des Vorjahres". Höher als vor zwei Jahren war in den ersten Stunden der Wahl der Andrang bei den Urnen an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien.

Für Unruhe sorgte am ersten Wahltag ein fehlerhafter Stimmzettel an der Uni Graz. Beim Wahlzettel für die Fakultätsvertretung an der Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Sowi) habe der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) gefehlt, empörte sich FPÖ-Generalsekretärin und -Wissenschaftssprecherin Magda Bleckmann.

Der Vorsitzende der Wahlkommission an der Uni Graz, Johannes Passini, bestätigte dies, meinte aber, das Problem sei sofort beseitigt und der Stimmzettel berichtigt worden. Bleckmann schloss bei ungenügender Aufklärung eine Anfechtung der Wahl nicht aus.

Für völlige Verwirrung sorgte am Dienstag auch der Rektor der Technischen Universität (TU) Wien. Eine Rückzahlung der Studiengebühren soll nun doch wieder im Gespräch sein. Rektor Peter Skalicky hatte diesen Vorschlag nach harscher Kritik von Studentenvertretern erst am Montag verworfen. Nun ist erneut alles anders. In einer Aussendung stellte der TU-Chef Skalicky klar: "Das vorrangige Ziel der TU Wien ist es, Umstände zu vermeiden, die eine Rückzahlung der Studiengebühren überhaupt erforderlich machen." Das Ganze sei ein "Angebot der Fairness".(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.5.2003)