In kleiner Runde versuchte Bundeskanzler Gerhard Schröder, Kritiker in der eigenen Fraktion umzustimmen. Drei SPD-Abgeordnete wollen die Gefolgschaft verweigern. Auch bei den Grünen gibt es Kritik.

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In Berlin begann am Dienstag das Rechnen: Vier Stimmen beträgt die Mehrheit von Rot-Grün im Bundestag. Mindestens zwei SPD-Abgeordnete wollen den Reformplänen von Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht zustimmen: Der ehemalige SPD-Bundesgeschäftsführer Ottmar Schreiner und die bayerische Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk haben der Agenda 2010 bereits am Montag im SPD-Vorstand trotz der Rücktrittsdrohung des Kanzlers die Unterstützung verweigert.

Auch der Abgeordnete Florian Pronold, der ein Mitgliederbegehren gegen Schröders Reformen im Sozial- und Wirtschaftsbereich initiiert hat, gilt in den Augen der Schröder-Getreuen als Verweigerer. Pronold kritisierte am Dienstag den Leitantrag zur Agenda 2010 für den Sonderparteitag am 1. Juni. Die am Montag vom SPD-Parteivorstand beschlossenen Veränderungen seien "nur kosmetische Korrekturen". Auch bei den Grünen gebe es "einige unsichere Kandidaten", hieß es aus der Fraktion.

Gelassen entschlossen Schröder bat deshalb am Dienstag die Spitzengenossen der Linken im Parlament, die beiden Fraktionsvize Michael Müller und Gernot Erler, zu einem Gespräch, bevor er sich mit der gesamten SPD-Parlamentsriege traf. "Er ist sehr entschlossen. Gelassen entschlossen", berichtete Müller nach dem Treffen. Hauptkritikpunkte der Parteilinken sind die Verkürzung des Arbeitslosengeldes von maximal 32 auf zwölf Monate und der Plan, dass künftig jeder selbst für sein Krankengeld vorsorgen muss.

Weitere Zugeständnisse an die Kritiker gab es von Schröder nicht. Der Parteichef hatte am Montag lediglich einer zweijährigen Übergangsphase für die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe sowie einer Drohung an die Wirtschaft, eine Lehrstellenabgabe einzuführen, zugestimmt. "Das kann noch nicht alles gewesen sein", sagte der Sprecher der Linken, Detlev von Larcher, am Dienstag.

Ein Signal kam dann von SPD-Generalsekretär Olaf Scholz: Die SPD werde nun doch auf ihrem Sonderparteitag im Juni neben dem Agenda-Leitantrag auch das Perspektivpapier zur Abstimmung stellen, in dem unter anderem die Forderung der Linken nach einer höheren Erbschaftssteuer enthalten ist. Schröder hatte am Montag erklärt, der Perspektivantrag werde erst beim regulären Parteitag im November behandelt. Kommentar Seite 28