Innsbruck - "Jeder Mensch ist normal, auch wenn es Schwierigkeiten gibt, zum Beispiel mit dem Denken. Deshalb gefällt uns die Bezeichnung ,geistig behindert' nicht." Deshalb hat sich eine Gruppe von vier jungen Menschen im Alter zwischen 19 und 24 Jahren nach einem anderen Begriff umgesehen, der ihrem Selbstbild gerechter wird.

Häufige alternative Bezeichnungen wie "Menschen mit Lernschwierigkeiten" oder "mit der Diagnose einer geistigen Behinderung" fanden geringe Zustimmung. Am treffendsten erschien die Wortwahl "Menschen mit besonderen Fähigkeiten". Und deshalb findet sich diese nun auch im Untertitel der außergewöhnlichen Studie "Ich sehe mich NICHT als behindert".

Kathrin Pfretschner, Daniela Pittl, Reinhard Köbler und Christian Niedermayer haben, begleitet von Lisa Gensluckner, für den Tiroler Arbeitskreis für integrative Erziehung (Tafie) Innsbruck-Land anhand von neun Interviews eine Arbeit vorgelegt, die in der Tradition der People-First-Bewegung steht: "People First (sprich: Pipl först) heißt: ,Mensch zuerst'", wie die Studie erklärt. "Eine politische Bewegung", vor 25 Jahren in den USA entstanden, mit dem Ziel der "Selbstvertretung".

Unter verschiedenen Gesichtspunkten - Kindheit, Schule, Ausbildung/Beschäftigung, Wohnen/Freizeit, Beziehung/Sexualität sowie Diskriminierung - wurden die Interviews redigiert und mit "Überlegungen" (Wünschen, Forderungen) verbunden. Experten lieferten Fachwissen unter anderem zu Interviewtechnik, Studienerstellung und Integration. Die Sprache ist einfach, das Layout großzügig.

"Eigenes Gehalt" Zu den wichtigsten Forderungen zählen ein "richtiges Gehalt" für "Arbeit" in Werkstätten (statt des Taschengeldes für "Beschäftigungstherapie"); über Wohnformen (Wohngemeinschaft, Heim, bei den Eltern) selbst entscheiden zu können; zur Alltagsgestaltung "immer" von den Betreuern gefragt zu werden, aber auch der Wunsch nach einer "kostenlosen Partnervermittlung" in Tirol. (bs/DER STANDARD, Printausgabe, 22.5.2003)