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Mag wie die FPÖ keine Nestbeschmutzung: Spindelegger.

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Wien - Nach Griechenland kommt jetzt die Türkei dran: Unter diesem Schlachtruf scheint Donnerstagfrüh im Nationalrat die Fragestunde an Außenminister Michael Spindelegger zu stehen, in der sich nicht nur FPÖ und BZÖ, sondern auch der Vizekanzler höchstpersönlich in wüsten Drohungen gegen den EU-Beitrittswerber ergeht. Was das Ansehen des eigenen Landes betrifft, ruft Spindelegger auf, ein spezielles Thema nicht hochzuspielen, wie er sagt.

Doch alles der Reihe nach. Um Punkt 9.00 Uhr beschwichtigt der schwarze Obmann zunächst Blaue und Orange, die sich am Vortag auf die finanzmaroden Griechen eingeschossen haben, dass angesichts der ausgebrochenen Regierungskrise in Athen die Lage für neue Hilfen mitunter ohnehin neu zu bewerten sei. Weil: Werden keine Reformen angegangen, könne er, Spindelegger, sich nicht vorstellen, dass es weiterhin Geld von der Union gebe.

Versprechen an Strache, Bucher und Co

Doch die rechte Opposition und auch Spindelegger haben offenbar nicht nur Rechnungen mit diesem Problemstaat der EU offen. Die Freiheitlichen wollen wissen, welche Maßnahmen der Außenminister denn zur Verhinderung eines Beitritts der Türkei plane.

Spindelegger verweist auf seine Vorgängerin im Außenamt, Ursula Plassnik, ebenfalls im Saal. Gerade sie habe leidvoll erfahren müssen, dass sich die Türkei an gewisse Spielregeln nicht halte. Gemeint ist, dass Ankara Plassnik, schon in bester Hoffnung, wegen ihrer einst beitrittskritischen Politik dann doch den Aufstieg zur OSZE-Generalsekretärin vermasselt hat.

Und so verspricht der sonst stets auf Höflichkeit bedachte Vizekanzler Strache, Bucher & Co mit düsterem Blick, dass er die Angelegenheit in bilateralen Gesprächen "hart ansprechen" werde. Dazu erklärt Spindelegger einen Beitritt der Türkei zu einem Thema, das er die nächsten Jahrzehnte nicht als Thema betrachte.

Spindelegger: Diskussion gehört nach Österreich

Doch mitten in diese neue schwarz-blau-orange Eintracht platzt eine Anfrage der Grünen. Der Abgeordnete Karl Öllinger will wissen, welche Maßnahmen Spindelegger eigentlich für das Ansehen des eigenen Landes ergreife, wenn FPÖ-Chef Strache in Straßburg an der Seite der Chefin des französischen Front National heimischen Journalisten Nestbeschmutzung vorwerfe? Nur weil diese es gewagt haben, anzusprechen, dass einige FPÖ-Politiker nicht an Abstimmungen über Aberkennungen von Ehrenbürgerschaften für Adolf Hitler teilnehmen wollen?

Spindelegger spricht auf einmal über Artikel, die in "Le Monde", der "Welt", im "Stern" erschienen sind - um dann aufzurufen: "Diskussionen dieser Art gehören nach Österreich! Ich bitte Sie, dieses Thema nicht über internationale Medien hochzuspielen!" Denn so käme das Land zu Schaden.

"Wir sind hier in Österreich!", protestiert Grün. Die SPÖ-Abgeordnete Christine Muttonen will Spindelegger offenbar auf die richtige Spur führen - und bohrt nach, dass Hitler die Ehrenbürgerschaften doch wohl generell abzuerkennen seien? Aussichtslos. Der Vizekanzler bleibt dabei: Das Thema habe in ausländischen Zeitungen nichts verloren.

Harald Vilimsky von der FPÖ darf den kritischen ORF-Journalisten in Straßburg einen Mann revolutionär-marxistischer Prägung schimpfen - ohne dass der Vizekanzler einschreitet. Mit fehlendem Schutz für Journalisten habe dies nichts zu tun, rechtfertigt sich Spindelegger, weil: In anderen Staaten werden Medienleute verfolgt, mit dem Leben bedroht - und um dieses Problem werde sich Österreich im UN-Menschenrechtsrat engagiert kümmern. (Nina Weißensteiner, STANDARD-Printausgabe, 17.6.2011)